Alles Afrika

Immer, wenn ich hier in Kenia bin oder auch nur wenn Freunde und Bekannte erfahren, dass ich mich hier engagiere und teilweise hier wohne, bekomme ich viel Interesse. Aber immer wieder sind dabei auch Fragen, die „in Afrika“ im Satz haben. „Wie ist denn dies oder das in Afrika?“ – „Hast du da in Afrika auch…?“ „Was kostet das so in Afrika?“ – Der Gipfel war einmal, „Du bist doch gerade in Afrika. Ich hab da einen Kontakt gemacht voriges Jahr übers Internet. Kannst du den mal anrufen und fragen, ob es ihm/ihr gut geht?“ Oder gerade mehrere SMS zum Thema, „Was kostet in Afrika eigentlich ein Covid-Test?“

Je nach Laune frage ich dann einfach – welches Land meinst du denn, ich bin in Kenia. Oder manchmal auch zynisch – „Du bist doch in Europa, könntest du mal jemanden für mich in Stockholm besuchen?“

 

Bei manchen glaube ich, dass es einfach Dummheit ist, mangelnde Bildung. Habe gerade mit einer Dame diskutiert, die den Unterschied zwischen Kontinent und Land einfach nicht behirnen wollte. Es stellte sich dann heraus, sie wollte einen Preis aus Ghana.

Ich denke aber, für diese Ignoranz gibt es noch tiefere Gründe. „Da unten“ in Afrika – wo Hunger herrscht und zu viele Kinder, Armut, Kriege, Korruption. Ist doch alles gleich, oder?

Komischerweise nehmen die meisten bei Afrika zumindest die Länder Ägypten, Tunesien, Marokko aus, vielleicht weil alles, was ans Mittelmeer grenzt, doch nicht Afrika sein kann. Ist doch eher wie Griechenland und Italien.

Aber was ist so schwer daran, zu begreifen, dass zwischen Verhältnissen in Südafrika, Namibia, Elfenbeinküste, Nigeria, Kenia, Sierra Leone himmelweite Unterschiede bestehen? Oder ist einfach alles schwarze Haut und heißes Klima?

Es gibt hier die ostafrikanische Staatengemeinschaft. Kenia, Tansania, Uganda, Ruanda und noch ein paar. Aber zwischen Kenia und Tansania gibt es himmelweite Unterschiede, auch wenn beide Swahili sprechen. Deutsch und Österreicher sprechen ja auch deutsch.

Und nicht einmal in Kenia kann man von ganz Kenia sprechen. Jemand, aufgewachsen in Nairobi, dort in eine gute Schule gegangen, wird kaum die gleichen Probleme haben wie jemand im Küstengebiet oder in der Provinz Ganze.

Selbst das Gebiet, in dem ich tätig bin, nämlich politisch gesehen Kilifi County, eines der größten politischen „Länder“ Kenias, ist unterteilt in ganz unterschiedliche Ethnien. Diese Ethnien sind nämlich viel älter und gewachsener als alles, was später politisch darüber gezeichnet wurde.

In unserem Fall hier decken sich die Landesgrenzen von Kilifi County weitgehend mit dem, was die Einheimischen Mijikenda nennen – neun Orte (miji = Orte, kenda = ein altmodischer Ausdruck für neun).

Die Sage sagt, es gab einmal vor langen Zeiten einen Mann, der hatte zwei Frauen (das muss sein in kenianischen Erzählungen. Meistens wird dann noch ausgeschmückt, dass die zwei sich gehasst haben und eifersüchtig waren, wer denn die Lieblingsfrau war). Jedenfalls gab es von diesen beiden Frauen insgesamt neun Kinder. Und nach des Vaters Tod wurde das gesamte Land auf die 9 Kinder aufgeteilt.

Diese 9 Kinder sind heute die 9 Ethnien hier entlang der Küste. Digo, Chonyi, Kambe, Duruma, Kauma, Ribe, Rabai, Jibana und Giriama. Allen gemeinsam ist bei allen Unterschieden die gemeinsame Sprachwurzel, nämlich Bantu. Und oft werden sie etwas ignorant alle als Giriama bezeichnet. Nur wenn man tiefer eindringt, dann sagt einem jeder – ich bin aus Ribe, ich bin eine Kauma – mit all den Stereotypen natürlich auch, die das so mit sich bringt. Chonyi beispielsweise sagt man nach, dass sie die besten Farmer sind, immer auf ihr Land bedacht und sehr fleißig.

Und ich frage hier oft – wo kommst du her. Und nein, ich meine dann nicht – Kenia. Und niemand käme auf die Idee zu sagen – aus Afrika. Und ich kann ganz oft punkten, indem ich dann eben weiß – ah, ja, eine der 9 Ethnien und die wohnen ungefähr dort (Die Leute hier können sogar sagen, nach der Kurve dort unten beginnt Ribe).

Europa passt viele Male in Afrika hinein. Niemand würde sagen – alle Länder Europas sind doch gleich, alles eins. Das hat mit Respekt zu tun. Daher, gern Fragen zu Kenia, aber bitte nicht einfach nur – Afrika.

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