Stellt euch mal vor, ihr seid Taxifahrer. Und werdet gerufen, um einen Mann von seinem Haus zu einer anderen Wohnung zu bringen. Der Mann ist krank, hat Fieber, aber ihr seid ja kein Arzt und denkt euch nichts dabei. Der Mann steigt aus, eine Stunde später ist er tot und die Familie sagt, ihr habt ihn umgebracht.

So geschehen hier in Kenia 2016. Der Vater von 5 Kindern war Motorrad-Taxler. Langes hin und her, „Untersuchungen“, kein Geld für einen Anwalt. Jedenfalls 2020 dann das Urteil, 45 Jahre Gefängnis. Keine forensische Untersuchung, woran der Mann überhaupt gestorben ist, es gab keinerlei Gewalteinwirkung. Er hatte Fieber und unser Papa hat einfach den „Fehler“ gemacht, ihn zu transportieren.

2021 geht auch die Mutter, weit weg ins Hinterland, nie wieder auch nur ein Anruf, neu verheiratet, zwei neue Kinder, kein Interesse an den vorhandenen. Zu diesem Zeitpunkt war die älteste 13, die jüngst knapp 4 Jahre alt. Anfangs gab es noch eine Großmutter, die aber ebenfalls vor einem Jahr verstorben ist. Ein Onkel, selbst kaum erwachsen, kümmert sich als Vormund, Mercy, die Große, ersetzt die Mama, obwohl ihr die selbst so sehr fehlt.

Bevor die Oma gestorben ist, ist es ihr noch gelungen, ins Büro des MP (Member of Parliament), Mr. Owen Baya vorzudringen, der sehr berührt war und Hilfe versprochen hat. Anruf bei seinem guten Freund, dem Obmann der Schule der Kinder, bitte versuche was. Und dann landete alles im Februar auf meinem Schreibtisch.

Wir haben damals gesammelt, alle 5 Kinder gut in der Schule abgesichert, also Schulgebühren, zwei Betten gekauft, jeden zweiten Monat gibt es ein Essenspaket.

Und heute hab ich sie besucht. Und war so sehr berührt.

Wir haben Fotos gemacht, die ich dem Vater ins Gefängnis schicken werde, dazu ein kleines Video von der Tochter an ihren Papa. Unser Anwalt der Organisation wird alles prüfen und als ersten Schritt mal versuchen, eine Verlegung durchzusetzen von Voi nach Kilifi, damit die Kinder überhaupt eine Chance haben, ihren Vater mal zu besuchen. Und der MP hat versprochen, den Fall dem Präsidenten vorzulegen, der immer im Dezember Amnestien vergibt.

Inzwischen kümmern wir uns um die Kinder. Es gab mal Geld für warme Kleidung, Decken, und jetzt suche ich Paten für alle.

Und ich werde nicht aufgeben, bis der Papa wieder bei seinen Kindern ist.

 

 

 

 

Wir sind offiziell ein Sponsor der Pwani-Universität, wer hätte das jemals gedacht. Und das kam so.

Die Kilifi Vonwald School hat über 30 Mikroskope, die im Labor unseren Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen. Alles andere als eine Selbstverständlichkeit, denn viele Schulen haben überhaupt keines – und die Universität hatte bisher 3, wovon eines kaputt war. Von einem Teleskop konnte die Uni überhaupt nur träumen. Nun sitzen wir an der Vonwald Schule aber ja nicht auf einer einsamen Insel – möglichst viele junge Menschen sollen von unserer Arbeit profitieren.

Deshalb schließen wir (also die von Gabriela Vonwald gegründete kenianische NGO Gapeka) mehr und mehr sogenannte „MOUs“ – Memorandum of Understanding – ab. Man könnte es wohl als „Freundschaftsvertrag“ übersetzen, auf dessen Basis eine enge Zusammenarbeit möglich ist. Dies öffnet uns und unseren Schützlingen Türen, gibt Ausbildungsmöglichkeiten, Praktikums- und später Arbeitsplätze. Gapeka ist hier mittlerweile Teil eines riesigen, sehr dichten Netzwerks, dessen Wert gar nicht hoch genug anzusetzen ist – weil immer jemand jemanden kennt…

Und daher haben wir heute in einer feierlichen Zeremonie unser Profi-Teleskop und fünf Mikroskope an die Pwani University übergeben.

Ich (Sarah Eidler) war dabei und muss als Gast sagen, das war schon wirklich sehr nett. Zuerst ins Büro des Vice Chancellors – das ist praktisch der oberste Boss der Uni – , anschließend dann die Übergabe des Teleskops sowie der Mikroskope in einer kleinen Zeremonie. Natürlich muss das alles hochoffiziell sein mit den verschiedenen Abteilungen und deren Leitern. Ich kann mir vorstellen, dass im Vorfeld schon große Aufregung geherrscht hat – wer darf dabei sein? „Hochoffiziell“ bedeutet schonmal, dass pünktlich angefangen wird und dass sich jeder der Anwesenden kurz vorstellt, also welcher Studienrichtung er angehört und warum er heute da ist. Auch immer wichtig: In welcher Reihenfolge darf gesprochen werden, also wer ist zuerst dran, weil höhergestellt. Andererseits geht’s dann aber total herzlich zu – Gabi ist ja durch den Ehrendoktortitel sowieso „eine von ihnen“ – und wenn’s Torte gibt, dann füttert man sich sogar an der Uni noch gegenseitig damit, ein Ritual, das schon die Kleinsten beherrschen.

Total geplättet ist auch Mr. Jonathan, unser CEO, der überhaupt noch nicht glauben kann, dass GAPEKA jetzt ein „Sponsor“ der Universität ist. Ichbin natürlich ein paar Mal gefragt worden, ob ich zum ersten Mal in Kenia bin, und Prof. Shauri, der recht regelmäßig nach Wien fliegt, war ganz entzückt zu hören, dass ich selbst dort studiert habe. Was schon auch sehr bemerkenswert ist – viele der Professoren betreiben selbst auch Landwirtschaft, der Vice Chancellor züchtet beispielsweise Ziegen. Kann man sich in Österreich auch nicht wirklich vorstellen, oder?

Gabi durfte übrigens auf dem „Präsidenten-Platz“ sitzen. Die ganze Zeremonie fand im Kibaki-Saal statt, benannt nach dem früheren Präsidenten Kibaki. Hier hat der Präsident damals die Urkunde unterschrieben, mit der das bisherige College zur öffentlichen Universität ernannt wurde – sehr geschichtsträchtig und eine große Ehre! Man merkt wirklich die große Dankbarkeit, denn die Konkurrenz zwischen den Unis ist groß und man will natürlich „etwas Besonderes“ bieten. Das kann nicht sein, dass Studenten an die Uni kommen (teilweise auch international) und dort schlechtere Ausrüstung vorfinden als an den Schulen/Unis, an denen sie zuvor gelernt haben. Und immer wieder wird betont, dass unseren Schülern die Türen offen stehen. Einige der Professoren waren dann gleich ganz aufgeregt, ja, ich kenn einen aus der Vonwald-Schule, der ist jetzt im dritten Jahr…

Und trotz allem schmunzeln Gabi und ich auf der Rückfahrt zur Schule: Da haben wir gerade ein Teleskop und Mikroskope an eine Universität gestiftet und wenn man in den Kofferraum des Autos schaut, sind da die Stofftiere für die Familienbesuche zu finden. Wie war das nochmal mit Wurzeln und Flügeln?!

Mag. Sarah Eidler

Wie ich schon ganz oft erwähnt habe, arbeiten wir in Kenia engmaschig mit dem Jugendamt zusammen. Und ich gebe es zu, anfangs war ich skeptisch, empfand es als kleine Schikane, warum müssen wir extra eine Sozialarbeiterin anstellen, die wöchentlich dem Jugendamt Bericht erstatten muss, die aber wir bezahlen dürfen. Warum Kontrollen, wir sind doch die Guten.

Vor allem auch immer wieder die Frage – das Gesetz sagt, jede Hilfsorganisation, egal ob Inland oder vom Ausland, egal ob CBO oder NGO – sobald man mit Kindern arbeitet, also eine Schule betreibt, eine Nursery, egal was, ist es verpflichtend, diesen Link zum Jugendamt zu installieren. Warum ist man bei uns so streng und im Land tummeln sich gefühlt einige tausend Wildwuchs-Nurseries jeder Größe, die das nicht haben. Mir wurde heute wieder in einem Gespräch bestätigt – die sind nur noch nicht erwischt worden.

Schon unsere Sozialarbeiterin Eva hatte mich vor Jahren überzeugt, dass diese Verlinkung etwas Gutes ist. Immer wieder mal bei einer Schwangerschaft, bei Missbrauch in der Familie, bei plötzlichem Verlust von Eltern – das Jugendamt hat uns gut unterstützt.

Heute nun war ich persönlich dort, hatte einen Termin mit dem Leiter dieses Amtes, der jetzt seit einem Jahr für unsere Region Kilifi Nord zuständig ist, und ich muss sagen, ich bin schwer beeindruckt. Volle zwei Stunden sehr gutes Gespräch auf sehr gutem Niveau.

Zuerst wieder das Thema – unser TCC-Haus. Ob er sicher davon ausgehen könne, dass dies praktisch nur ein Boarding für die jüngeren Kinder sei, also keine Unterbringung während der Ferien. Wochenende sei okay, da wir alle diese Kinder bei uns in der Schule hätten, aber nur deshalb. Es wurde ihm einige Institute gemeldet, die sich da wohl nicht dran halten, die werden jetzt alle besucht, untersucht, haben die sich überhaupt beim Jugendamt registriert usw. Hab ich ihm versichern können.

Aber dann. Was mich sehr beeindruckt hat, was mich zum Nachdenken bringt war – glaub nicht alles, was man dir erzählt. Glaub nicht allen Müttern, dass sie alleinerziehend sind. Glaub nicht, dass sie sich keine Hefte leisten können. Viele Familien sind durch deine Hilfe heute in einer Situation, wo sie etwas beisteuern können. Aber das musst du verlangen.

Als er meinen entsetzen Blick gesehen hat, meinte er aber gleich – nicht du. Für dich ist das schwierig. Ihr glaubt immer gleich, wenn ihr durchgreift und sortiert, würde man euch des Rassismus beschuldigen oder der Herrenmenschenmentalität. Lass uns das machen. Lass dir helfen.

Er hat mir berichtet, dass die Vorgabe der Regierung ist – Eltern mehr in die Verantwortung nehmen. O-Ton: „Ich bin selbst Kenianer. Wir sind so – gib uns etwas, wir nehmen. Egal ob wir es brauchen oder nicht.“ Was die Regierung also noch mehr verlangt, ist – Hilfe zur Selbsthilfe. Aber eben – nimm ihnen nicht alles ab. Ihre Kinder, ihre Verantwortung.

Also eigentlich das, was ich schon ständig versuche, was aber nicht ganz gelingt, weil ich einfach nicht die sein KANN, die ihnen streng kommt. Er meinte auch, er habe ja, weil das Pflicht ist, von Eva zu jedem Kind einen genauen Bericht bekommen. Er stellt uns jetzt 20 – in Worten zwanzig – Sozialarbeiterinnen zur Verfügung, diese Berichte alle durchzugehen. Auch wieder O-Ton:

„Viele Mütter geben an, Vater verschwunden, verstorben, unbekannt. Ich verspreche dir, 60% dieser Väter treibe ich auf.“

Und – die wollen Verantwortung übernehmen, vielfach wird ihnen aber der Zugang zum Kind komplett verwehrt. Von den Müttern. Die sich dann danach auch nicht mehr kümmern.

Er hat mir sogar erzählt, dass er Eltern in Beugehaft nimmt, wenn sie sich nicht gut um ihre Kinder kümmern. Er meint, das würde immer helfen. Immer. Wenn wir Eltern nicht in die Verantwortung nehmen, sei es leicht, zehn Kinder in die Welt zu setzen. Das müssten wir gemeinsam ändern. Zum Beispiel dadurch, dass wir Eltern, die einen Job haben, die das leisten können, ein kleines Schulgeld zahlen lassen, das Mittagessen zahlen lassen, die Krankenversicherung zahlen lassen. Und wenn es wirklich Extreme geben würde, sollen wir es sagen, sein Amt habe immer die Möglichkeit, mit einem Essenspaket einzuspringen.

Ich bin sehr geflasht und hab das Gefühl – ja, das ist der Weg. Lassen wir uns helfen. Wir haben gleich mal 180 Packungen Damenbinden mitbekommen und wie gesagt das gute Gefühl, man nimmt uns ernst, schätzt, was wir tun (er meinte, ohne uns würden von den 1200 Kindern und jungen Menschen, die wir gerade im Projekt haben, 1000 auf seinem Schreibtisch landen), wir sollen aber den Eltern die Verantwortung nicht abnehmen.

Ich bin nun sehr gespannt, was er und Eva da basteln werden. Zwei Dinge haben wir gleich beschlossen. Am  24. Juni haben wir alle Eltern zu einem Meeting eingeladen, wie immer, wenn ich da bin. Da wird er dabei sein und sein Wort an die Eltern richten. Mit der Autorität seines Amtes. Und wenn wir im November die neuen PP1 einschreiben, wird jemand vom Jugendamt dabei sein und alle Aussagen der Eltern sofort überprüfen. Alles frei gibt es dann nur noch für die, die es wirklich brauchen. Für alle anderen gibt es ein reduziertes Schulgeld oder eine Gebühr fürs Mittagessen.

Ich fühle das Gewicht auf meinen Schultern ein bisschen weniger.

 

 

 

 

Unser Haus für alle Kinder, die zu klein sind für Boarding, die aber dennoch aus irgendwelchen Gründen nicht so gut in ihren Familien aufgehoben sind, war eine der wichtigsten Errungenschaften der letzten Jahre. Wie oft sind mir bei Familienbesuchen Kinder aufgefallen, die irgendwie nur geduldet wurden von Verwandten, die zuhause keine echte Betreuung oder Liebe erfahren haben. Und nicht immer, weil da irgendwelche bösen Stiefmütter am Werk sind, oft, weil Mütter überfordert sind mit dem Alltag als alleinerziehend, manchmal, weil die Kinder bei Omas, Tanten oder Nachbarn leben, denn die Eltern sind während des Schuljahres irgendwo auf Arbeitssuche. Es gibt bei uns eine angestellte Mama, liebevoll, mit ausreichend Schulbildung, damit man auch bei den Hausaufgaben helfen kann, Bubenschlafraum, Mädchenschlafraum, Aufenthaltsraum, Küche, Toiletten und Duschen und vor dem Haus ein Spielplatz.

Das alles ist aber kein Waisenhaus, es ist, wie der Name schon sagt – temporary, also zeitlich begrenzt.

Und hier ist der Staat sehr, sehr streng, wie wir selbst gerade erst in den letzten Ferien erfahren mussten.

Erlaubt ist eine Unterbringung während der Schulzeit, sofern es sich um eine registrierte Organisation handelt und es einen Link zum Jugendamt gibt. Wir sind in Kenia eine registrierte Organisation und der Link zum Jugendamt ist natürlich da. Unsere Eva ist ausgebildete Sozialpädagogin mit Zusatzausbildung und wurde vom Jugendamt genehmigt. Jeder, der in Kenia mit Kindern irgendwas tut, muss solch eine Person einstellen. Wie immer, man schaut da lange zu, irgendwann gibt es neidische Nachbarn, man wird angezeigt, zahlt sich wirklich nicht aus.

Eigentlich hatten wir gehofft, dass es niemandem auffällt, wenn wir die Kinder auch während der Ferien bei uns behalten, sofern Kinder und Eltern das wollen. Aber – keine Chance, absolut verboten. Wir haben es mit allem versucht. Dass wir Nachhilfe anbieten, dass es eine Art Ferienlager ist, dass wir da Performing Arts und Sport und was weiß ich noch alles tun. Die Antwort – Nein.

Wir dürfen Kinder außerhalb der Schulzeit nicht beherbergen.

An den Wochenenden ja, aber auch nur, weil wir eine Schule selbst betreiben. In den Ferien, absolutes Nein.

Kenia hat ja vor einiger Zeit fast alle Waisenhäuser abgeschafft. Das Ganze läuft unter dem Slogan „changing the way we care“. Es gibt ein paar Zentren, die sich Rescue Center nennen, solch eines von unserem Freund William unterstützen wir monatlich.  Ansonsten geht der Weg jetzt – Kinder haben eine Familie und diese Familie hat Pflichten. Und es soll nicht passieren, dass Kinder ihren Eltern oder der Familie entfremdet werden. So eben die Theorie. Tagesmütter gibt es in dieser Form übrigens in Kenia auch nicht, also nicht einmal über diesen Umweg und dann eben mal mit einer Übernachtung, könnten und dürften wir arbeiten.

Und hier gibt es nicht nur Verwarnungen und Geldstrafen, es würde uns Gefängnis drohen.

Und ja, wir könnten ansuchen solch ein Rescue Center zu werden. Nur, die Auflagen sind so gewaltig und schwierig, und wir dürften da nur Kinder annehmen, die gesetzlich aus einer Familie genommen wurden und dies nur bis maximal 6 Monate.

Und das ist nicht das, was wir wollen.

Daher – TCC ist sehr wichtig, eine richtige Säule unserer Arbeit inzwischen. Wir denken gerade daran, noch ein zweites Haus zu bauen, denn inzwischen leben schon 22 Kinder bei uns, es wird irgendwann eng. Aber eben nur als erweitertes Boarding.

Gestern war es wieder einmal soweit – wir haben in einer kleinen neu adoptierten Schule an 56 Kinder Schuluniformen und Schuhe ausgegeben. Und dabei viele Menschen glücklich gemacht, neudeutsch würde man sagen – wir haben sie geboostert. Die Eltern natürlich, das ist jedem sofort klar. Ein Betrag, den sie jetzt nicht mehr selbst aufbringen müssen.

Aber wenn man sich vorher die nackten Kinderfüße angeschaut hat und dann dicke schwarze Schuhe dran, dann neigt man bei uns ja eher dazu, sich zu denken – die armen Kleinen, warum muss das sein? Ist barfuß nicht besser? Und wenn die schon alle so arm sind, sollte man das Geld nicht eher in Unterrichtsmaterial stecken und sie sollen alle im dreckigen T-Shirt kommen?

Ich erinnere mich an Erzählungen meiner Großeltern, wie es bei uns früher war. Und selbst mein Mann erzählt mir aus seiner Jugend, 6 Kinder, keine Reichtümer.

Schuhe, echte richtige Schuhe, und auch keine vom älteren Bruder oder der älteren Schwester, eigene, neu gekaufte – das war damals der Eintritt in eine neue Welt. Ab jetzt bist du Wer, ab jetzt wirst du ernst genommen.

Und in Kenia bedeutet es – jetzt erst bist du wirklich ein Schulkind. Und du zeigst deiner Umgebung, schau her, meine Eltern haben mir Schuhe und eine Schuluniform gekauft, sie nehmen lernen ernst.

Auch deshalb sehen die Kinder so stolz aus auf allen Fotos.

Und auch noch zum Thema Schuhe:

Ja, in unserer Sozialromantik klingt Barfußgehen unglaublich toll. Zurück zur Natur. In Kenia bedeutet es aber auch oft genug – Scherben oder anderes eingetreten, eine Wunde, durch die Ungeziefer eindringt, ein Arzt wird erst aufgesucht, wenn es oft zu spät ist, weil man sich den einfach nicht leisten kann. Und dann haben wir noch das Problem mit den Sandwürmern, Jigger genannt. Ich erspare euch hier die Fotos dazu.

Schuhe sind daher wichtig, sehr sogar. Und Kinderfüße in Kenia wachsen genauso schnell wie die bei uns. Und auch daher bitten wir nach Familienbesuchen immer wieder um Schuhe.

 

In meinem letzten Blog habe ich beschrieben, dass und wie wir immer wieder als große Organisation auch anderen Schulen oder Gemeinden helfen. Weil es erwartet wird, vor allem aber auch, weil es uns ein Bedürfnis ist.

Und natürlich müssen wir dann auch immer wieder mal Hilfe nach einer Weile beenden, denn immer nur mehr und mehr, das schaffen wir nicht, wollen wir auch nicht.

So werden wir, wie beschrieben, die beiden Partnerschulen Hope und Old Ferry behutsam auslaufen lassen, vor allem auch, weil sie gewachsen sind und die Starthilfe eben das war – ein Start. Irgendwann muss es allein gehen. Und andere warten.

Diese Woche haben wir auch nach 5 Jahren Hilfe Rabai auslaufen lassen. Mit einer wunderbaren Aktion – Bücher für drei öffentliche Schulen. Wir haben hier im Laufe der Zeit ein Schulgebäude, zumindest einen großen Teil davon, gebaut für eine Nursery (jetzt übernommen von einer anderen Organisation), wir haben Erste Hilfe geleistet mit Essenspaketen, wir haben ein paar hundert Kindern den Schulstart ermöglicht, wir haben Betten und Matratzen gespendet, Kleidung und Spielsachen, wir haben Mikrokredite vergeben , viele Eltern in Landwirtschaft ausgebildet und Menschen in die Selbständigkeit geholfen.

Und nun gehen wir den Schritt zurück. Ihr schafft das jetzt selbst beziehungsweise sind andere da, an die ihr euch wenden könnt. Und das werden sie sicher tun.

Und immer wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.

Was ihr hier seht, ist eine winzige Schule zwischen Kilifi Town und ‚Tezo. Ich habe diese Schule im Februar besucht und wir haben schon kleine Hilfe geleistet, ich hab damals spontan versprochen, 150 Euro im Monat mal auf ein Jahr, ich beobachte das. Mit den ersten 150 Euro ist dieser entzückende Spielplatz entstanden, Fotos unten, weil der Schulleiter sagt – die Kinder brauchen vor allem mal ein wenig Freude.

Das Besondere an dieser Schule, es ist das Werk eines unserer Mitarbeiter, David, der auch so großartige Dinge bei uns in der Landwirtschaft zaubert. Er hat da mit seinen Freunden (die Gruppe nennt sich nun „Friends of Gabriela“ – eine große Ehre) schon seit Jahren geholfen. Die Schule steht auf dem Land seiner Familie, sein Vater war Lehrer und diese Tradition soll weitergeführt werden. Derzeit gibt es 67 Kinder, 2 Klassen Vorschule und Klasse 1 und 2. Diese Eigeninitiative ist es, die mich begeistert. Wenn Kenianer etwas für die Gemeinde machen und nicht nur warten, dass Hilfe von irgendwo kommt. Wenn mit ganz viel Kreativität und Herzblut gearbeitet wird. David hat mich nicht angesprochen, hat um nichts gebeten, ich hab das durch Zufall über eine Familie, der wir helfen, heraus gefunden.

Und da das Geld aus Rabai jetzt frei geworden ist, können wir hier helfen. Und wenn ich immer sage – Projekte im Projekt – dann ist genau so etwas gemeint. Ich poste etwas, Menschen fühlen sich angesprochen und schreiben uns – ich würde gern genau hierfür etwas geben, hier helfen, entwickeln, geht das denn? Ja, geht. Und so haben wir Geld bekommen für genau diese Schule. In diesem Fall von unserer lieben Sarah. Und damit werden wir jetzt zaubern. Bücher, Schuluniformen, Hefte, mal ein paar Monate die Gehälter der Lehrer. Und wer mag kann sich einbringen, am besten gleich mit dem Betreff „Davids School“.

Ich denke, dies ist auch ein großes Alleinstellungsmerkmal von Harambee. Man kann bestimmen, mein Geld bitte dafür verwenden. Denn selbstverständlich nehmen wir diese Hilfen für Projekte im Projekt niemals von den normalen Patengeldern weg. Und selbstverständlich beobachten und berichten wir, selbstverständlich läuft es unter dem Dach unserer kenianischen Organisation Gapeka ab, das Geld kommt an und wird kontrolliert. Man muss also nicht unbedingt eine eigene Organisation vor Ort aufbauen, Menschen, die man nicht kennt, Gesetze, die man nicht kennt, um eigenständig dabei zu sein. Nur mal als Idee;-))

Also – Davids Schule. David ist überwältigt und legt Extraschichten ein und er wird der große Held seiner Gemeinde sein, was ich besonders schön finde. Nicht wir sind die Helden, auch das ist Hilfe zur Selbsthilfe.

Hier noch Impressionen vom neuen Spielplatz.

Die Schule heißt natürlich „in echt“ nicht Davids Schule, sondern „Minara School“

 

 

Und wohin fließt eigentlich unsere Hilfe? Welche Projekte?

Zugegeben, da wir nicht nur die eine Schule „haben“ oder unterstützen, ist es manchmal etwas schwierig, den Überblick zu bewahren. Paten interessiert ja meistens nur – mein Kind besucht diese Schule – aber alle anderen, die vielleicht verschiedene Projekte sponsern, interessiert auch, was gibt es denn noch? Harambee ist ja inzwischen weit mehr als „nur“ die Vonwald-Schule.

Ich fange mal mit dem großen Überblick an und dem „Warum“. Warum beschränken wir uns nicht nur darauf, Kinder in einer, vielleicht jetzt in zwei Vonwald-Schulen zu unterrichten? Warum immer wieder der Blick über den Tellerrand?

Die Antwort ist zunächst einmal eine ganz persönliche. Ich selbst bin viele Wochen im Jahr vor Ort. Ich bin sehr gut vernetzt, man legt mir Härtefälle auf den Tisch, ich werde eingeladen, schau dir dies an und jenes, kannst du hier helfen, was tun. Und ja, von weitem, auf der Coach sitzend, kann man dann leicht sagen – du müsstest ja nicht. Wenn aber die Menschen vor dir stehen und du in ihren Augen das Vertrauen siehst, die Hoffnung, dann ist das Nein schwerer als Blei. Und oft sind es schon 100 Euro, die einfach Hoffnung geben und Menschen anspornen, selbst aktiv zu werden. Wir wurden gesehen, nicht vergessen. Das ist wichtig.

Wir wechseln diese Hilfe auch immer mal wieder, denn es geht nicht darum, Menschen jahrzehntelang in Abhängigkeit zu halten. Monatliche regelmäßige Hilfe verspreche ich daher immer nur für ein Jahr, dann sehen wir weiter. So wie für das Rescue Center von Mr. William, wo Kinder, die aus Familien akut herausgenommen werden müssen per Gerichtsbeschluss, ein vorübergehendes Zuhause finden. Oder wie eine Gemeinde im District Rabai, die ausschließlich für das Thema Schulbildung einen monatlichen Betrag bekommt, der dann demokratisch verwaltet und entschieden wird, was damit passiert. Derzeit haben wir das Geld aus 4 Monaten genommen, um drei öffentliche Schulen mit Büchern auszustatten. All das sind Freie Spenden bzw. privates eigenes Geld, man darf sich aber gern gezielt beteiligen oder sogar diese Projekte im Projekt betreuen. Sehr gern. Manche wollen ja gern „was Eigenes“, was immer das oft heißen soll.

Neben dem persönlichen „nicht-wegschauen-können“ geht es aber für uns als inzwischen sehr große Organisation auch darum, umfassender zu helfen als nur hinter geschlossenen Schultoren. Es wird erwartet. Von diversen Autoritäten, und damit meine ich nicht Regierungen, sondern auch Dorfälteste, Familienoberhäupter, Schulen. Wenn wir tatsächlich Teil der Community sein wollen, müssen wir uns kümmern. Oftmals Erste Hilfe leisten. Es wird erwartet, dass wir uns an Beerdigungen beteiligen von Angestellten oder Eltern unserer Kinder, Spitalsrechnungen zahlen oder Operationen, in Dürrezeiten Wasser oder Nahrung spenden. Zum Nein-Sagen sind wir zu groß und zu lange dabei.

Aus diesem Grund gibt es auch nicht nur die beiden Vonwald-Schulen, eine direkt in Kilifi Town, die andere 30 Minuten entfernt in Tezo, sondern wir unterstützen über Patenschaften auch noch die HOPE Schule und die Schule OLD FERRY. Und derzeit mit ungefähr 40 weiteren Kindern ein paar öffentliche Schulen im Umkreis bzw. Spezialeinrichtungen für behinderte Kinder.

Die beiden Schulen HOPE und OLD FERRY sind dabei Modelle, die langsam auslaufen werden. Old Ferry, weil die Schule derzeit schon halbstaatlich ist, die Registrierung voranschreitet und es mehr und mehr Hilfe von der Regierung gibt und geben wird. Hier heißt es einfach, wir nehmen von unten keine neuen Kinder mehr dazu.

HOPE wird ebenfalls auslaufen, wir haben hier jahrelang geholfen, die Schule hat sich sehr gut entwickelt, ich bin aber nicht mehr mit allem so einverstanden, der Besitzer geht mir etwas zu viel in Richtung Business, das war nicht ausgemacht. Da diese Schule tatsächlich unser Nachbar ist, wir mit diesen Kindern auch bereits viel gemeinsam unternommen haben, wechseln in den nächsten zwei Jahren viele zu uns und auch hier nehmen wir keine neuen mehr auf. Beides dient auch dazu, dass sich Schulen oder Institutionen nicht abhängig machen von uns. Du hast den Start bekommen und viele Jahre Unterstützung, jetzt schaff es allein. Und das werden sie, da bin ich sicher. Und vielleicht wird es dann mal in paar Jahre eine ganz andere Schule, die wir beim Aufbau unterstützen, wer weiß.

Und auch innerhalb unseres ursprünglichen Projektes, die Vonwald- Schulen, gibt es noch die Landwirtschaft. Zuerst als kleine Schulfarm angelegt, dann Schulung von Eltern, und jetzt unter dem eigenen Titel SAKI – Sustainable Agriculture Kilifi – auch die 60.000m2 Ackerland in Langobaya. Hier sollen irgendwann mal nicht nur ein großer Teil des Schulessens produziert werden, sondern  Menschen sollen hier auch Arbeit finden in der Landwirtschaft.

Es geht also immer darum – hinschauen, über den eigenen Tellerrand hinaus, helfen, wo Hilfe gebraucht wird, als Booster, als Startschuss, aber auch rechtzeitig wieder loslassen, damit Menschen es aus eigener Kraft schaffen. Und überlegen, was wird in Zukunft wichtig sein, nicht nur in einem Jahr, in fünf Jahren, sondern für die nächste Generation.

Gabriela Vonwald

 

 

Es ist wieder soweit. Wir müssen in Kenia unsere Buchhaltung legen. Und wer sich jetzt denkt, ja schon klar, afrikanisch eben – weit gefehlt.

Von so viel guter und intensiver (und leider auch teurer) Kontrolle, können wir in Europa noch lernen. Und es wundert mich auch nicht, dass immer wieder große Organisationen sogar gesperrt werden (derzeit kämpft angeblich gerade eine ganz große internationale). Und mit der Neuregulierung aller Charity-Arbeit wird dies nochmals etwas schwieriger.

Zunächst einmal, es gibt zwei Formen, wie man sich in Kenia registrieren kann.

Einmal auf kleiner lokaler Ebene als CBO – Community Based Organisation.

Auf dieser Eben und Größe darf man 1 Millionen Keniaschilling Umsatz pro Jahr nicht überschreiten (das sind ca 7.500 Euro), nur dann ist es auf County-Ebene geregelt und man braucht keine kostspielige Finanzgebahrung. Alle aus dem Ausland gespeisten Organisationen, egal wie groß oder klein, übersteigen dies natürlich um ein Vielfaches. Und nein, man kann es auch nicht einfach einer Privatperson zuschreiben. Sobald die nämlich plötzlich über mehr als eine Million verfügt, kommt – oft verspätet aber sie kommen, die Bank und meldet es an die entsprechende Stelle. Und dann muss die arme Person Steuern zahlen von einem Geld, das sie ja gar nicht bekommen hat.

Also besser gleich eine NGO gründen (die heißt jetzt neu PBO). Auf alle Voraussetzungen will ich nicht näher eingehen, ein wenig wie bei uns eine Vereinsgründung, es braucht Obmann und Schriftführer mindestens und beide müssen einen akademischen Grad haben, also mindestens Bachelor. Man wählt einen Namen, meldet es beim NGO-Board in Nairobi an und kann ab sofort nicht mehr machen was man will. Selbst der Wechsel der Bank muss ab sofort genehmigt werden.

Damit will ich euch nicht langweilen, mir geht es heute um die finanzielle Überprüfung.

Die muss von einem unabhängigen aber gelisteten und anerkannten Wirtschaftsprüfer erfolgen, ist sehr teuer und man darf, um keine Korruption zu befeuern, nur maximal zwei hintereinander folgende Jahre den gleichen nehmen. Dann erst wieder nach fünf Jahren.

Die Kosten der Überprüfung richten sich nach den Einnahmen, und die waren ja im Vorjahr gewaltig.

Überprüft wird nicht nur am Papier, sondern auch vor Ort. Existiert das Gebäude oder das Grundstück, das da aufgezählt wurde? Welches Essen bekommen die Kinder, wieviele Lehrer sind tatsächlich angestellt, usw. (Unser Kassier Eric hat das kommentiert mit – so streng wie Mama Gabi uns prüft schafft ihr das nie).

Es ist auch nicht erlaubt, am Jahresende mehr als 15% Rücklagen zu bilden – das Geld soll so verwendet werden wie angegeben und nicht gehortet.

Und am 25. März muss es dann in Nairobi sein.

Bisher haben wir es seit nunmehr 14 Jahren nicht nur geschafft sondern mit Glanz und Gloria geschafft. Letztes Mal kamen ein paar Herrschaften und meinten – erstaunlich, es ist wirklich alles so wie angegeben.

Und auch darauf können wir richtig stolz sein.

 

 

 

Kenia ist ein Land der Wettbewerbe und das schon von ganz klein auf. Und immer im ersten Trimester beginnen alle Schulen, sich auf so viele dieser Wettbewerbe vorzubereiten wie nur irgendwie möglich. Alle wollen dabei sein und sich messen.

Zunächst muss man dazu wissen, dass schon immer, mehr aber noch mit dem kompletten Neubau des Schulsystems, Sport und Kunst (Performing Arts) einen sehr sehr hohen Stellenwert in Kenia haben. Es gilt, Talente zu entdecken und diese auch zu fördern. Eine gute Schule identifiziert sich hier auch über die Pokale, die sie in der einen oder anderen Sportart, in kulturellem Tanz oder Theater, in Vers rezitieren oder Trommeln erreicht. Und Sport ist in allen Köpfen, egal ob Mädchen oder Buben, auch Erwachsene machen irgendeinen Sport. Unsere Mitarbeiter nutzen unseren Basketballplatz am Abend nach der Arbeit, jetzt unseren Pool, machen untereinander Wettbewerbe, selbst wenn alle am nächsten Tag Muskelkater haben.

Und das beginnt schon bei den Allerkleinsten, 4 und 5 Jahre alt.

Man macht zur Vorbereitung das ganze Jahr über einfach Freundschaftsspiele, dann geht es los.

Voraussetzung ist immer, dass sich die Schule am Beginn des Schuljahres registriert. Hierzu muss der Verantwortliche für Sport und Spiel (ganz allgemein heißt die Gesamtheit von allem schlicht und einfach „games“) beim Ministerium antanzen und für alle Kinder zahlen. Nein, nicht nur für die, die teilnehmen. Auch für solche, die lieber lesend in der Bibliothek sitzen. Natürlich kommt man nicht nachzählen, ob wir nun 680 oder 640 registrieren, so ungefähr hat man die Population ja im Blick, es gibt ja ständig Inspektionen. Außerdem sind wir gute Zahler, kommen pünktlich, feilschen nicht herum, betrügen nicht, fragen nicht um Ratenzahlung. Schon das reißt uns ein Loch ins Budget, denn das kostet uns allein mal schnell 4000 Euro. (Wir haben natürlich alle Kinder aus beiden Schulen registriert)

Dann geht es los.

Man beginnt mal ganz harmlos im Bezirk (Ward – das wäre bei uns Kibaoni), wobei vom Vorjahr platzierte Schulen das auslassen dürfen und gleich auf Subcounty-Ebene beginnen. Heißt bei uns – Kilifi Nord, die ersten und zweiten kommen weiter auf County-Ebene, also gesamt Kilifi County. Von dort gehen die Besten auf Regional, heißt bei uns, die gesamte Küste. (Mich frisst übrigens der Neid, dass ich da nicht vor Ort bin, es findet diesmal in Lamu statt). Und dann – National.

Was mir hier unglaublich gefällt ist nicht nur, mit welchem Eifer Kinder und Trainer dabei sind, sondern auch, wie ernst das die ganze Schule nimmt. WIR gewinnen oder verlieren, nicht einzelne Kinder. Die Kinder bringen den Pokal für alle mit. Und wenn sie zurück kommen werden sie gefeiert, es wird getanzt und gesungen, großes Fest. Und schon die Kleinsten (hier ist die Wertung ein wenig anders, es werden aus insgesamt 5 Bewerben einzeln die besten ausgewählt und es endet bei County) werden als kleine Helden gefeiert.

Und jemand, der vielleicht in Mathe nicht so glänzt, gleicht das für sich durch Basketball aus oder weil er/sie im Chor ist oder bei den Pfandfindern. Und nein, wir machen nicht bei allem mit, konzentrieren uns jedes Jahr auf die Bewerbe, wo wir ausreichend und gute Schüler haben und wo wir auch gute Trainer engagieren können. Dieses Jahr lassen wir zum Beispiel Theater aus.

Ich weiß, dass ja in Europa der Trend dahin geht (oder nein, nicht Europa, Deutschland vor allem) diesen Wettbewerbsgedanken abzuschaffen, es würde ein Kind zu sehr verletzen, wenn es nicht gewinnt. Oder so ähnlich.

Und ja, was hier anders ist, es gibt kein – ein Team wählen, wir denken hier bei uns an Völkerball und klein und dick bleibt übrig, und auch keine verpflichtende Sportart die alle machen müssen. Außer Schwimmen als Lifeskill, aber nach drei Jahren das Seepferdchen schaffen, fein, reicht. Die Teams, von denen ich rede, suchen sich ihren Sport aus und nur den oder maximal ein zweites Hobby wird betrieben. In Basketball gibt es also nur solche, die Basketball lieben, freiwillig dabei sind und alle entsprechend gut.

Ich hab diese europäische Angst hier diskutiert mit Lehrern, Eltern, Kindern. Vielen Kindern, auch solchen, die in keinem Bewerb sind, die einfach nur lesen wollen oder häkeln. Alle, wirklich alle, haben mit vollkommenem Unverständnis reagiert. Warum soll es keine Gewinner und Verlierer geben, es geht doch nur um diese Sportart oder diese Aktivität. Es sind doch keine Verlierer als Menschen.

Ich hab erklärt, dass man bei uns denkt, es würde etwas mit Kindern machen, wenn sie sehen und erleben würden, dass andere einen Pokal bekommen und sie nicht.

Und dann hat mir ein Kind etwas gesagt, da musste ich fast weinen ob solcher Weisheit.

„Erzieht ihr eure Kinder denn nicht dazu, dass sie stolz sind auf sich, egal was sie tun?“

Einfach zum Nachdenken.

Harambee oder Gapeka, wie wir in Kenia heißen, ist ja schon lange viel mehr als nur Schule. Es gibt zwei eigene Schulen, wo wir Schulerhalter sind, also auch alle Gehälter zahlen müssen, es gibt zwei Hybrid/Partnerschulen, wo wir einen bestimmten Betrag monatlich überweisen, damit die Schule mit diesem Geld kalkulieren und wachsen kann, ebenfalls über Patenschaften.

Daneben haben wir immer schon Augenmerk gelegt auf das Thema Landwirtschaft, wirtschaftliches Empowerment unserer Eltern und Gemeindemitglieder, Erste Hilfe in Form von Essenspaketen, Kleidung, Decken, es gibt einzelne kleine Projekte (oder auch größere) für die sich einzelne Paten verantwortlich fühlen, beispielsweise die Essensverteilung an „meiner“ Kirche einmal im Monat an Bedürftige, die komplett von meinem Mann finanziert wird. Oder jetzt das große Projekt Landwirtschaft in Langobaya, das sich unsere liebe Sarah ein wenig zu ihrem Fußabdruck erkoren hat.

Wir haben als Gapeka schon öffentliche Toiletten gebaut, Wasserleitungen verlegt, Wassertanks aufgestellt oder Hütten gebaut.

Das alles versteht man sicher, und wo immer es irgendwo fehlt, wo es sich dann doch nicht ausgeht, da springe ich ganz oft mit eigenem Geld ein.

Und dann gibt es noch – sicher manchmal verwirrend – so Dinge, die ich praktisch als Privatperson unterstütze. Zumindest tue ich das immer solange, bis ich weiß, ja, das wird was, da versenke ich kein Geld, das sollten wir fortsetzen. Dann bringe ich es manchmal vor den Vorhang, rede mehr darüber und lasse alle anderen teilhaben, in der Hoffnung, dass sich vielleicht andere finden, die dies gemeinsam mit mir zu „ihrem“ Fußabdruck machen.

Warum so herum und nicht gleich groß und öffentlich?

Ich möchte erst einmal ausloten, ob die Hilfe die richtige ist. Und – ich möchte vermeiden, dass Menschen, denn das ist leider manchmal der Charakter, von einer Blume zur nächsten fliegen, weil das jetzt gerade noch schöner klingt. Ich möchte vor allem auch vermeiden, dass Geld in unserer Basisarbeit dann fehlt. Also man unterstützt ein Projekt, den Schulausflug vom eigenen Patenkind kann man aber nicht zahlen. Oder die teurer werdende Schulgebühr.

Daher bleibt vieles offiziell einfach mal „mein Privatvergnügen“.

Angefangen hat es mit meinen Geburtstagskindern. Statt einer Party hier, statt Geschenken, schicke ich seit Jahren immer 20 Kinder, die nicht unserem Projekt angehören, Kinder aus sehr armen Randgebieten, für ein Jahr in die Schule. Heißt – Schuluniform, Schuhe, Schultasche, Hefte und ein Jahr die Schulgebühr. Keine Patenschaften, keine Finanzierung bis zum Ende der Schulzeit, kein Datenblatt und nur ein Jahr als Hoffnung für die Eltern, ihr wurdet nicht übersehen, nehmt es als Beginn von etwas, danach seid ihr gefragt.Und an Silvester, meinem Geburtstag, gibt es Torte und alle feiern mich.

Dann kam Rabai. Hier habe ich 2019 angefangen mit einer kleinen Vorschule, weil unserer damaliger CEO mir in den Ohren lag, so eine arme Gegend, so liebe Menschen, diese Vorschule ist so unbedingt notwendig, weil es sonst nichts gibt usw. Leider war vieles gelogen. Erstens gibt es überhaupt keinen Bedarf für diese Schule, es gibt in Gehdistanz drei gute öffentliche Schulen, zweitens war es ein Familienprojekt und es profitierten auch nur Familienmitglieder des damaligen CEO, ob es nun Gehälter waren oder die Tatsache, dass nur Kinder aus dem Großfamilienverband bevorzugt wurden. Noch während ich nachgedacht habe, wie man es anders machen könnte, grätschte ein deutscher Verein hinein und erhält bis heute mit Hilfe einer mafiösen Struktur genannt Huamwenga eine unglaubliche Korruption am Leben. Aber, es gibt rund 800 Familien, die leiden, die wirklich arm sind, die nichts dafür können und die mir ans Herz gewachsen sind.

Also kam 2023 dann das neue Konzept, ich zahle euch 800 Euro monatlich, ihr entscheidet demokratisch in der Gemeinde, welche Familie kommt diesen Monat dran, das Ziel, alle Familien können zumindest ein Kind zur Schule schicken. Auch hier, mein Geld, keine Patenschaften, keine unendliche Hilfe, sondern eine Initialzündung, ich transportiere sozusagen Hoffnung. Und es läuft so erstaunlich gut, dass ich hier mit Sicherheit weiter mache, vielleicht möchte ja jemand da draußen mit mir Rabai unterstützen.

Dann vor einem Jahr, Besuch im „Rescue Center“ in Kilifi, geleitet und aufgebaut von einem sehr charismatischen Mann, Mr. William. Hier finden Kinder, die per Gerichtsbeschluss kurzfristig untergebracht werden müssen, Gewalt in der Familie ist meistens der Grund, für bis zu 6 Monaten ein Zuhause. Manchmal findet man auch Säuglinge, die ausgesetzt wurden, Kinder, wo die Familienverhältnisse unklar sind, viele berührende Geschichten. Auch William bekommt von mir 800 Euro monatlich, eigentlich würde die Aktion jetzt im Februar auslaufen, aber ich hab  mal ein Jahr drangehängt. Auch hier – falls sich jemand angesprochen fühlt und hier seinen Fußabdruck der Menschlichkeit hinterlassen mag, sehr gern.

Und jetzt, ganz neu seit Weihnachten, 2 Familien, die mir unser Landwirtschafts-Officer David ans Herz gelegt hatte. Darüber hatte ich ja im letzten Blog geschrieben, „Friends For Friends“. Ich hab mich spontan beteiligt, sie haben sich jetzt umbenannt in „Friends of Gabriela“. Wir haben jetzt mal viele der Kinder aus beiden Familien in die Schule geschickt, mit einer Sammlung entsteht für die eine Familie eine neue Hütte, der Vater bekam medizinische Hilfe und eine Brille, der anderen Familie, gesegnet mit zwei Kindern mit Mikroenzephalie, haben wir den noch fehlenden Rest auf ein eigenes Grundstück gezahlt und hier werden wir helfen, ein kleines Landwirtschaftsprojekt ins Leben zu rufen, damit diese überaus sympathische Familie sich selbst versorgen kann – Wassertank, Saatgut, Unterricht. Auch hier kann man helfen, ich komme in Kürze mit konkreten Wünschen. Und hier werden Davids Freunde, die jetzt meine sind, ein engmaschiges Monitoring betreiben, Elternerziehung, Hygiene, tut etwas und überlasst euch nicht nur eurem Schicksal.

Alle diese Eigenmächtigkeiten mache ich, weil ich nicht wegschauen kann, weil ich aber Spendengelder zunächst einmal schützen möchte, bis ich weiß, ja, falls es schief geht, ist es nur mein Geld. Und weil ich auf keinen Fall Hilfe einfach verschieben will. Das Wichtigste von Harambee sind die beiden Vonwald-Schulen. Aber ich schaue gern über den Tellerrand, und falls jemand sagt, das wäre genau meins – herzlich Willkommen, es gibt immer genug zu tun.

Gabriela Vonwald