Wie ich schon ganz oft erwähnt habe, arbeiten wir in Kenia engmaschig mit dem Jugendamt zusammen. Und ich gebe es zu, anfangs war ich skeptisch, empfand es als kleine Schikane, warum müssen wir extra eine Sozialarbeiterin anstellen, die wöchentlich dem Jugendamt Bericht erstatten muss, die aber wir bezahlen dürfen. Warum Kontrollen, wir sind doch die Guten.

Vor allem auch immer wieder die Frage – das Gesetz sagt, jede Hilfsorganisation, egal ob Inland oder vom Ausland, egal ob CBO oder NGO – sobald man mit Kindern arbeitet, also eine Schule betreibt, eine Nursery, egal was, ist es verpflichtend, diesen Link zum Jugendamt zu installieren. Warum ist man bei uns so streng und im Land tummeln sich gefühlt einige tausend Wildwuchs-Nurseries jeder Größe, die das nicht haben. Mir wurde heute wieder in einem Gespräch bestätigt – die sind nur noch nicht erwischt worden.

Schon unsere Sozialarbeiterin Eva hatte mich vor Jahren überzeugt, dass diese Verlinkung etwas Gutes ist. Immer wieder mal bei einer Schwangerschaft, bei Missbrauch in der Familie, bei plötzlichem Verlust von Eltern – das Jugendamt hat uns gut unterstützt.

Heute nun war ich persönlich dort, hatte einen Termin mit dem Leiter dieses Amtes, der jetzt seit einem Jahr für unsere Region Kilifi Nord zuständig ist, und ich muss sagen, ich bin schwer beeindruckt. Volle zwei Stunden sehr gutes Gespräch auf sehr gutem Niveau.

Zuerst wieder das Thema – unser TCC-Haus. Ob er sicher davon ausgehen könne, dass dies praktisch nur ein Boarding für die jüngeren Kinder sei, also keine Unterbringung während der Ferien. Wochenende sei okay, da wir alle diese Kinder bei uns in der Schule hätten, aber nur deshalb. Es wurde ihm einige Institute gemeldet, die sich da wohl nicht dran halten, die werden jetzt alle besucht, untersucht, haben die sich überhaupt beim Jugendamt registriert usw. Hab ich ihm versichern können.

Aber dann. Was mich sehr beeindruckt hat, was mich zum Nachdenken bringt war – glaub nicht alles, was man dir erzählt. Glaub nicht allen Müttern, dass sie alleinerziehend sind. Glaub nicht, dass sie sich keine Hefte leisten können. Viele Familien sind durch deine Hilfe heute in einer Situation, wo sie etwas beisteuern können. Aber das musst du verlangen.

Als er meinen entsetzen Blick gesehen hat, meinte er aber gleich – nicht du. Für dich ist das schwierig. Ihr glaubt immer gleich, wenn ihr durchgreift und sortiert, würde man euch des Rassismus beschuldigen oder der Herrenmenschenmentalität. Lass uns das machen. Lass dir helfen.

Er hat mir berichtet, dass die Vorgabe der Regierung ist – Eltern mehr in die Verantwortung nehmen. O-Ton: „Ich bin selbst Kenianer. Wir sind so – gib uns etwas, wir nehmen. Egal ob wir es brauchen oder nicht.“ Was die Regierung also noch mehr verlangt, ist – Hilfe zur Selbsthilfe. Aber eben – nimm ihnen nicht alles ab. Ihre Kinder, ihre Verantwortung.

Also eigentlich das, was ich schon ständig versuche, was aber nicht ganz gelingt, weil ich einfach nicht die sein KANN, die ihnen streng kommt. Er meinte auch, er habe ja, weil das Pflicht ist, von Eva zu jedem Kind einen genauen Bericht bekommen. Er stellt uns jetzt 20 – in Worten zwanzig – Sozialarbeiterinnen zur Verfügung, diese Berichte alle durchzugehen. Auch wieder O-Ton:

„Viele Mütter geben an, Vater verschwunden, verstorben, unbekannt. Ich verspreche dir, 60% dieser Väter treibe ich auf.“

Und – die wollen Verantwortung übernehmen, vielfach wird ihnen aber der Zugang zum Kind komplett verwehrt. Von den Müttern. Die sich dann danach auch nicht mehr kümmern.

Er hat mir sogar erzählt, dass er Eltern in Beugehaft nimmt, wenn sie sich nicht gut um ihre Kinder kümmern. Er meint, das würde immer helfen. Immer. Wenn wir Eltern nicht in die Verantwortung nehmen, sei es leicht, zehn Kinder in die Welt zu setzen. Das müssten wir gemeinsam ändern. Zum Beispiel dadurch, dass wir Eltern, die einen Job haben, die das leisten können, ein kleines Schulgeld zahlen lassen, das Mittagessen zahlen lassen, die Krankenversicherung zahlen lassen. Und wenn es wirklich Extreme geben würde, sollen wir es sagen, sein Amt habe immer die Möglichkeit, mit einem Essenspaket einzuspringen.

Ich bin sehr geflasht und hab das Gefühl – ja, das ist der Weg. Lassen wir uns helfen. Wir haben gleich mal 180 Packungen Damenbinden mitbekommen und wie gesagt das gute Gefühl, man nimmt uns ernst, schätzt, was wir tun (er meinte, ohne uns würden von den 1200 Kindern und jungen Menschen, die wir gerade im Projekt haben, 1000 auf seinem Schreibtisch landen), wir sollen aber den Eltern die Verantwortung nicht abnehmen.

Ich bin nun sehr gespannt, was er und Eva da basteln werden. Zwei Dinge haben wir gleich beschlossen. Am  24. Juni haben wir alle Eltern zu einem Meeting eingeladen, wie immer, wenn ich da bin. Da wird er dabei sein und sein Wort an die Eltern richten. Mit der Autorität seines Amtes. Und wenn wir im November die neuen PP1 einschreiben, wird jemand vom Jugendamt dabei sein und alle Aussagen der Eltern sofort überprüfen. Alles frei gibt es dann nur noch für die, die es wirklich brauchen. Für alle anderen gibt es ein reduziertes Schulgeld oder eine Gebühr fürs Mittagessen.

Ich fühle das Gewicht auf meinen Schultern ein bisschen weniger.

 

 

 

 

Unser Haus für alle Kinder, die zu klein sind für Boarding, die aber dennoch aus irgendwelchen Gründen nicht so gut in ihren Familien aufgehoben sind, war eine der wichtigsten Errungenschaften der letzten Jahre. Wie oft sind mir bei Familienbesuchen Kinder aufgefallen, die irgendwie nur geduldet wurden von Verwandten, die zuhause keine echte Betreuung oder Liebe erfahren haben. Und nicht immer, weil da irgendwelche bösen Stiefmütter am Werk sind, oft, weil Mütter überfordert sind mit dem Alltag als alleinerziehend, manchmal, weil die Kinder bei Omas, Tanten oder Nachbarn leben, denn die Eltern sind während des Schuljahres irgendwo auf Arbeitssuche. Es gibt bei uns eine angestellte Mama, liebevoll, mit ausreichend Schulbildung, damit man auch bei den Hausaufgaben helfen kann, Bubenschlafraum, Mädchenschlafraum, Aufenthaltsraum, Küche, Toiletten und Duschen und vor dem Haus ein Spielplatz.

Das alles ist aber kein Waisenhaus, es ist, wie der Name schon sagt – temporary, also zeitlich begrenzt.

Und hier ist der Staat sehr, sehr streng, wie wir selbst gerade erst in den letzten Ferien erfahren mussten.

Erlaubt ist eine Unterbringung während der Schulzeit, sofern es sich um eine registrierte Organisation handelt und es einen Link zum Jugendamt gibt. Wir sind in Kenia eine registrierte Organisation und der Link zum Jugendamt ist natürlich da. Unsere Eva ist ausgebildete Sozialpädagogin mit Zusatzausbildung und wurde vom Jugendamt genehmigt. Jeder, der in Kenia mit Kindern irgendwas tut, muss solch eine Person einstellen. Wie immer, man schaut da lange zu, irgendwann gibt es neidische Nachbarn, man wird angezeigt, zahlt sich wirklich nicht aus.

Eigentlich hatten wir gehofft, dass es niemandem auffällt, wenn wir die Kinder auch während der Ferien bei uns behalten, sofern Kinder und Eltern das wollen. Aber – keine Chance, absolut verboten. Wir haben es mit allem versucht. Dass wir Nachhilfe anbieten, dass es eine Art Ferienlager ist, dass wir da Performing Arts und Sport und was weiß ich noch alles tun. Die Antwort – Nein.

Wir dürfen Kinder außerhalb der Schulzeit nicht beherbergen.

An den Wochenenden ja, aber auch nur, weil wir eine Schule selbst betreiben. In den Ferien, absolutes Nein.

Kenia hat ja vor einiger Zeit fast alle Waisenhäuser abgeschafft. Das Ganze läuft unter dem Slogan „changing the way we care“. Es gibt ein paar Zentren, die sich Rescue Center nennen, solch eines von unserem Freund William unterstützen wir monatlich.  Ansonsten geht der Weg jetzt – Kinder haben eine Familie und diese Familie hat Pflichten. Und es soll nicht passieren, dass Kinder ihren Eltern oder der Familie entfremdet werden. So eben die Theorie. Tagesmütter gibt es in dieser Form übrigens in Kenia auch nicht, also nicht einmal über diesen Umweg und dann eben mal mit einer Übernachtung, könnten und dürften wir arbeiten.

Und hier gibt es nicht nur Verwarnungen und Geldstrafen, es würde uns Gefängnis drohen.

Und ja, wir könnten ansuchen solch ein Rescue Center zu werden. Nur, die Auflagen sind so gewaltig und schwierig, und wir dürften da nur Kinder annehmen, die gesetzlich aus einer Familie genommen wurden und dies nur bis maximal 6 Monate.

Und das ist nicht das, was wir wollen.

Daher – TCC ist sehr wichtig, eine richtige Säule unserer Arbeit inzwischen. Wir denken gerade daran, noch ein zweites Haus zu bauen, denn inzwischen leben schon 22 Kinder bei uns, es wird irgendwann eng. Aber eben nur als erweitertes Boarding.

Gestern war es wieder einmal soweit – wir haben in einer kleinen neu adoptierten Schule an 56 Kinder Schuluniformen und Schuhe ausgegeben. Und dabei viele Menschen glücklich gemacht, neudeutsch würde man sagen – wir haben sie geboostert. Die Eltern natürlich, das ist jedem sofort klar. Ein Betrag, den sie jetzt nicht mehr selbst aufbringen müssen.

Aber wenn man sich vorher die nackten Kinderfüße angeschaut hat und dann dicke schwarze Schuhe dran, dann neigt man bei uns ja eher dazu, sich zu denken – die armen Kleinen, warum muss das sein? Ist barfuß nicht besser? Und wenn die schon alle so arm sind, sollte man das Geld nicht eher in Unterrichtsmaterial stecken und sie sollen alle im dreckigen T-Shirt kommen?

Ich erinnere mich an Erzählungen meiner Großeltern, wie es bei uns früher war. Und selbst mein Mann erzählt mir aus seiner Jugend, 6 Kinder, keine Reichtümer.

Schuhe, echte richtige Schuhe, und auch keine vom älteren Bruder oder der älteren Schwester, eigene, neu gekaufte – das war damals der Eintritt in eine neue Welt. Ab jetzt bist du Wer, ab jetzt wirst du ernst genommen.

Und in Kenia bedeutet es – jetzt erst bist du wirklich ein Schulkind. Und du zeigst deiner Umgebung, schau her, meine Eltern haben mir Schuhe und eine Schuluniform gekauft, sie nehmen lernen ernst.

Auch deshalb sehen die Kinder so stolz aus auf allen Fotos.

Und auch noch zum Thema Schuhe:

Ja, in unserer Sozialromantik klingt Barfußgehen unglaublich toll. Zurück zur Natur. In Kenia bedeutet es aber auch oft genug – Scherben oder anderes eingetreten, eine Wunde, durch die Ungeziefer eindringt, ein Arzt wird erst aufgesucht, wenn es oft zu spät ist, weil man sich den einfach nicht leisten kann. Und dann haben wir noch das Problem mit den Sandwürmern, Jigger genannt. Ich erspare euch hier die Fotos dazu.

Schuhe sind daher wichtig, sehr sogar. Und Kinderfüße in Kenia wachsen genauso schnell wie die bei uns. Und auch daher bitten wir nach Familienbesuchen immer wieder um Schuhe.

 

Manchmal werde ich gefragt, was ich mir denn am meisten wünschen würde für Kenia. Und meine Antwort mag erstaunen, aber ich würde mir wünschen, dass Menschen wie ich nicht mehr notwendig wären. Dass es überhaupt keine ausländischen Organisationen brauchen würde, damit Menschen gut leben können oder ihnen geholfen wird.

Und immer wieder – neben einer guten Ausbildung und Job-Möglichkeiten – versuche ich, meine Kollegen und Freunde vor Ort, unser Team und unsere Mitarbeiter zu motivieren, Hilfe in Kenia zu organisieren, an Türen zu klopfen, Spenden zu sammeln, die nicht vom Ausland kommen.

Und jetzt bekomme ich heute zwei Weihnachtsgeschichten auf den Tisch, die unterschiedlicher nicht sein können, die aber als Kern Hilfe zur Selbsthilfe sind.

Ich habe heute erfahren, dass unser Landwirtschafts-Officer David mit einer Gruppe junger Leute, alles seine Freunde und teilweise schon seit der Schule eine Gemeinschaft, einen „Club“ gegründet hat, „Friends for Friends“. Er hatte erfahren, wie vielen seiner ehemaligen Klassenkameraden es schlecht geht, vor allem, wie viele einfach abgewandert sind und ihre alten Eltern oder Großeltern allein zurück gelassen haben. Später – und er sagt, mein ständiger Satz, „Hilfe beginnt mit hinschauen“ habe ihm die Augen geöffnet – sah er das Elend auch einfach bei seinen Nachbarn. Jedenfalls versuchen diese jungen Menschen seit drei Jahren immer um Weihnachten herum, Kleidung und Essen zu jeweils 10 Familien zu bringen. Mit eigenem kleinen Geld, still und leise, nichts an die große Glocke, ich selbst wusste davon nichts.

Und warum weiß ich es heute?

Weil er mir Fotos von zwei Familien geschickt hat, Nachbarn, tiefstes Elend. (Die Fotos seht ihr hier) Und gefragt hat, ob ich ihm helfen würde zu helfen. Natürlich tue ich das. Sie sind auch meine Nachbarn. Ich warte auf die Hintergrundstories und welche Hilfe ist die beste, wie immer – einmal Soforthilfe, einmal für die Verbesserung der Gesamtsituation und der Zukunft.

Und parallel dazu bekomme ich noch dieses heute, Nachricht von einem unserer Studenten, Athman. Der junge Mann ist seit seiner frühen Kindheit bei uns, hat Matura gemacht, nie der Allerklügste oder Bemühteste, aber immer glücklich, zufrieden mit allem, pflegeleicht, würde man sagen. Nach der Matura College, Diplom in Bauwesen, irgendwas in der Art, dann ein Jahr lang Job gesucht. Und hier zeigte sich, wo andere aufgeben, nicht so Athman. Er blieb dran, ließ sich nicht entmutigen, immer freundlich, immer bemüht. Im Juni hatte er sich bei einer Baufirma in Nairobi beworben, wurde gecastet und bekam im Oktober den Job, inzwischen ist die Probezeit vorbei, er darf bleiben und mehr noch, man ist total zufrieden und glücklich und die Firma hat uns wissen lassen, wenn wir mehr so tolle junge Menschen hätten, her damit.

Was beide Geschichten gemeinsam haben? Die Saat geht auf. Und das ist wohl das schönste, was ich mir zu Weihnachten überhaupt wünschen kann.

Gabriela Vonwald

 

Nichts erfüllt mich mehr mit Stolz, als wenn wieder einige unserer jungen Menschen „fertig“ geworden sind. Nicht nur fertig mit der Schule – bisher haben wir in 6 Jahrgängen rund 240 Maturanten und Maturantinnen aus unserer Schule entlassen, junge Menschen, die teilweise schon seit dem Kindergarten bei uns waren, also seit 14 Schuljahren. Daneben gibt es rund 140 Studenten und Studentinnen an diversen Universitäten, Colleges und Berufsschulen und weitere 46 starten 2025 und ungefähr genau so viele beenden ihre Studien.

Aber so richtig endet unsere Hilfe ja immer erst, wenn jemand sein Zertifikat, sein Diplom, seinen Bachelor in den Händen hält. Und oft nicht einmal dann, denn danach helfen wir Lebenslauf schreiben, Anstellung suchen. Und das beginnt schon während des Studiums, denn jeder Student muss verpflichtend ein 3-monatiges Praktikum machen, was ich sehr begrüße, denn oft erwächst daraus später eine Anstellung. Und hier nutzen wir unsere Kontakte. Gerade wieder haben wir für einen jungen Mann, der Kriminologie, Forensik und Sicherheit in Gemeinden studiert, eine Praktikumsstelle im örtlichen Gefängnis besorgt. Dort haben wir drei Jahre lang geholfen mit Spenden für die einsitzenden Mütter, und ja, eine Hand wäscht die andere und das fordern wir zunehmend auch ein.

Viele Praktikumsplätze gibt es in unseren 4 Schulen oder auch in der Special Unit Klasse. Wer mal Lehrer werden will, der ist gut aufgehoben, in den Klassen zu helfen, eine zukünftige Krankenschwester vermitteln wir in unser Partnerspital. Und auch einfach mal Hand anlegen auf unseren Baustellen tut nicht weh und man kann sich in den Ferien ein Taschengeld verdienen.

Und ganz oft übernehmen wir nach der Ausbildung auch einige dieser jungen Menschen zu uns und in unsere Gehaltsliste. Zum Beispiel haben wir bereis zwei selbst produzierte Lehrer und sogar unser Schulleiter ist ein Produkt unserer Hilfe.

Unsere Arbeit ist erst getan, wenn sich jemand selbst erhalten kann, ein Einkommen heimbringt.

Nein, noch haben wir keine ganz große Welle an fertigen Berufen. Aber auch die bisher rund 50 ausgebildeten jungen Menschen machen einen Unterschied. Durch ein Einkommen, vor allem aber auch dadurch, dass sie in ihren Familien, in ihren Gemeinden ein Vorbild sind, vor allem für die jüngeren. Ja, du kannst es schaffen, es ist nicht dein Schicksal, arm und ungebildet zu bleiben. Hoffnung, die sich multipliziert.

Und das Größte ist am Ende dann immer die Graduation-Feier in den jeweiligen Bildungseinrichtungen. Manchmal muss man da quer durchs Land fahren, zurück zur ehemaligen Uni. Solche Graduation finden einmal im Jahr statt, das heißt, manchmal ist jemand schon monatelang „fertig“, aber es gibt eben das Papier noch nicht. So ging es gerade unserer Caroline. Im März fertig studiert mit dem Studium „Wildlife Research“ , Praktikum gemacht, jetzt endlich der große Tag. Nur – viele können es sich gar nicht leisten, wirklich dabei zu sein. Wer soll die Fahrt bezahlen, die Übernachtung, etwas Nettes zum Anziehen. Und wenn schon, dann ist man allein, Eltern auch noch mitzunehmen, übersteigt alle finanziellen Mittel. Wo immer es mir möglich ist, versuche ich es daher. Bei Caroline gab es Fahrkarten für zwei Personen, Übernachtung für zwei, Kleidung für zwei, sodass die Mama am großen Tag der Tochter dabei sein konnte.

Und was mich immer wieder fasziniert – alle wollen irgendwann weiter lernen. Vom Diplom zum Bachelor, vom Bachelor zum Master. Ganz viele bewerben sich um Auslandsstipendien, um ihren Doktor zu machen, etwas, das ich so von Österreich gar nicht kenne.

Gleich nach der Graduation schrieb mir Caroline – „through your support in my studies I have become the lady I always envisioned. My learning does not stop here, one step at a time, but I will be a professor one day.“

Wenn man Kinder in Kenia fragt, ob sie froh seien, dass bald Ferien sind, sieht man – ihre Gefühle sind durchaus gemischt. Natürlich, nicht stillsitzen, nicht lernen, draußen Fußball spielen, das ist toll. Es heißt aber auch, kein Schulessen. In der ersten Woche ist das ja noch fein, aber dann klopft an jede Tür der Hunger.

Ganz besonders gilt das in den langen Ferien im November und Dezember, wenn alle Schulen behördlich geschlossen sind. Genau in diese Phase fällt auch das Weihnachtsfest. Jede Familie versucht ihr Möglichstes, damit sich zumindest zu Weihnachten alle einmal richtig sattessen können. Das wissen natürlich auch die Händler, weshalb knapp vor Weihnachten die Preise für Lebensmittel durch die Decke gehen. Und das Geld, einfach auf Vorrat zu kaufen, das hat kaum jemand. Außerdem gibt es keine Kühlschränke und Weihnachten fällt in die Hitzeperiode.

Und während man im Supermarkt bei uns schon jetzt im August die ersten Lebkuchen findet, bereiten wir deshalb auch in Kenia unsere alljährlichen Weihnachts-Essenspakete vor. Durch die hohe Inflation wird das mit jedem Jahr schwieriger und nur, wenn wir frühzeitig zu einem günstigen Preis bestellen und uns viele Menschen helfen, können wir diese Weihnachtsfreude finanziell stemmen. Für Kinder, deren einziges Essen an vielen Tagen eben das in der Schule ist… man will nicht weiterdenken.

Für viele Menschen nur ein oder zwei Generationen vor uns war Weihnachten auch – sich einmal richtig sattessen, sich etwas gönnen. Man denke nur an Peter Roseggers Weihnachtsgeschichte „Als ich Christtagsfreude holen ging“. In Kenia herrscht noch heute rund um dieses Fest die größte Not. Wir haben ca. 750 Familien im Projekt bei 1.200 Kindern und werden jeder Familie ein Essenspaket schenken, das sie ungefähr einen Monat über diese Zeit bringt.

Enthalten sind 24 Kilo Maismehl, das Grundnahrungsmittel in Kenia, einige Kilo Weizenmehl, 25 kg Reis, den alle unsere Kinder ganz besonders lieben. Außerdem als Eiweißquelle Bohnen, dann noch Salz, Zucker, Tee und Speiseöl.

Solch ein Paket kostet umgerechnet 50 Euro, also weniger als ein Wochenendeinkauf bei uns. Oder anders gesagt: Wer sinnvoll schenken möchte, kann das mit einem solchen Weihnachtspaket gleich doppelt tun. Eine Familie in Kenia beschenken UND vielleicht einen lieben Menschen hier mit einem Foto von der Übergabe des Essenspakets. Denn allen, die spenden wollen, bieten wir an, dass die Familie auf Wunsch ein Schild hält mit dem Namen des Spenders oder auch „von Oma Erna“, „von Familie Huber“, von…

Vielleicht ja von Ihnen? Spenden kann man direkt aufs Konto oder per Paypal an spenden@harambee.at. Ihren Wunschnamen bitte an office@harambee.at senden, das Foto kommt definitiv rechtzeitig vor Weihnachten an. Dazu benötigen wir aber das Geld bis Ende September auf dem Konto und auch Ihre Email dazu. Und wenn Sie dann mit Ihren Lieben feiern, haben Sie das gute Gefühl, dass sich auch am anderen Ende der Welt Menschen satt essen können.

 

 

Ganz oft werden wir von Harambee gefragt, was macht denn eine Patenschaft bei euch anders, besonders? Warum bei euch und nicht woanders?

Nun, erstens einmal – wenn wirklich geholfen wird, dann natürlich auch gern woanders. Ich persönlich denke, es gibt soviel Leid auf der Welt, wer da helfen will, es gibt genug zu tun. Und es gibt überall viele engagierte Menschen, die mit viel Herzblut dabei sind, übrigens sicher auch in großen Organisationen. Wettbewerb unter Hilfsorganisationen sollte es eigentlich nicht geben.

Wogegen ich etwas habe ist, wenn hier bei uns den Menschen, die im guten Glauben geben, Geld genommen und irgendwo verschwendet wird. Und Verschwendung fängt bei mir offenbar wesentlich früher an als bei vielen in dieser Branche.

Viiieeel früher. Und da ich sowieso leicht verrückt bin, fängt helfen auch für mich immer damit an – wieviel spendet denn die Person, die da mein Geld will, selbst?

Wer mit Geld helfen mag, der sollte sich selbst einfach zuerst fragen – wieviel Nähe wünsche ich mir, wieviele Berichte, Kontakte, dabei sein. Wenn es nur um steuerliche Abschreibung geht, dann ist alles gleich gut oder schlecht. Wenn ich aber – und jetzt kommen wir zum Thema Patenschaft – einem bestimmten Kind helfen mag, vielleicht sogar mit mehr als nur einem immer gleich bleibenden Beitrag, wenn ich hier dieser Familie ein Bett kaufen möchte, ein Dach reparieren. Wenn ich von diesem einen Kind Fotos möchte, Briefe, Kontakt. Wenn ich heute sagen möchte, ich bin nächste Woche in Kenia und würde gern mein Kind besuchen. Wenn ich später mit diesem einen Kind, wenn es denn studiert und erwachsen ist, per WhatsApp Nachrichten austauschen möchte, wenn ich also ein Leben über Jahre mitverfolgen möchte – da sind große Organisationen einfach ungeeignet. Und im Übrigen auch ganz viele Kleine.

Für den persönlichen und geförderten Kontakt, für das Mitleben, braucht es nämlich eine Infrastruktur vor Ort. Menschen, die dieses eine Kind ebenfalls kennen und lieben und begleiten, Menschen, die wissen, was sich Paten wünschen. Große Organisationen können es nicht leisten, weil es dieses eine Kind für diesen einen Paten gar nicht gibt, kleine können es oft nicht leisten, weil sie zu wenig Helfende vor Ort haben, die auf der einen Seite ihre Familien gut kennen, dort ein und aus gehen können, auf der anderen Seite aber auch über Know How und Technik verfügen, dies auch zu dokumentieren und täglich frisch nach Europa zu senden.

Harambee schafft diesen Spagat. Nicht, weil wir so viel besser und intelligenter wären, sondern weil ich persönlich das über Jahre eintrainiert habe, immer und immer wieder. Weil wir Menschen direkt vor Ort haben, die ganz genau wissen, was ich selbst und alle Paten brauchen, zeitnah, am gleichen Tag. Weil wir 4 gute Kameras zur Verfügung haben mit dafür trainierten Menschen, weil wir hier auf der anderen Seite wieder Menschen sitzen haben, die die Infos aus Kenia rasch verarbeiten.

Und weil ich selbst dreimal im Jahr für fast einen Monat vor Ort bin.

Daher können wir garantieren – soviel Kontaktmöglichkeiten, so viele Infos, so viel Mitleben wie bei uns, ich denke, das findet man nur selten. Und da bin ich auch durchaus eingebildet. Dazu immer wieder auch Einblicke in die kenianische Kultur, Wirtschaft, Politik, Alltag. Warum? Weil es inzwischen meine Kultur geworden ist, ich stolz darauf bin und ich es immer gern teile. Wissen vergrößert sich, wenn man es teilt.

Und was es ebenfalls noch anders macht bei uns – im Patenbeitrag ist nicht nur die komplette Schule enthalten, es gibt Essen, es gibt eine Krankenversicherung, es gibt modernen Unterricht, es gibt „Erziehung“ der Eltern, es gibt für jedes Kind die Begleitung bis es einen Beruf fertig gelernt hat und auf eigenen Füßen stehen kann. Erst dann, ist es ein Erfolg.

Gabriela Vonwald

 

 

 

Ich bin erschöpft!

Und der Grund heißt „Pubertät“. Denn ganz offenbar sind die Auswirkungen dieser Lebensphase in jedem Land der Welt die gleichen, und ja, das ist anstrengend. Zumal in meinem Fall dazu kommt – man muss es am Ende aus der Ferne managen. Und ich sitze zwischen zwei Stühlen. Oder sogar noch mehr Stühlen. Da sind einmal die Kinder, denen man helfen möchte, auch wenn einige es einem schwer machen. Da sind aber auch die Lehrer und das gesamte Personal, die sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen können. Und da sind die Sponsoren, jeder einzelne möchte das beste für das „eigene“ Kind, dennoch bin ich auch verpflichtet, sorgsam mit dem Patengeld umzugehen. Und nur Schule als nettes Hotel zu betrachten, das ist nicht der Sinn der Sache.

Ich habe ja schon ganz oft darüber diskutiert, wer braucht eher Hilfe in einem Dritte-Welt-Land, Mädchen oder Buben. Und ich weiß, die gesamte westliche Welt hat sich auf Mädchen geeinigt.

Als ich angefangen habe, dachte ich das auch, war die typische Mädchen-Mama und einige aus der Anfangszeit werden jetzt langsam fertig oder studieren erfolgversprechend. Aber es war mühsam. Heute habe ich mich zur Buben-Mama gewandelt.

Mein Credo – ganz ohne Pubertät – wenn wir die Buben vernachlässigen, vor allem die älteren, die nicht mehr niedlich sind, werden daraus ganz leicht gewaltbereite, aggressive Männer. Arbeitslos, ganz oft Drogen und Alkohol, und ja, die finden sich eine Frau. Aber diesen Frauen geht es nicht gut. Gut ausgebildete Männer dagegen, und ich habe in 18 Jahren viele davon gesehen, behandeln ihre Frauen gut, zeugen nicht Mengen von Kindern und schicken diese auch zur Schule.

Was aber für mich als Schulleiterin dazu kommt – in der Pubertät sind Mädchen einfach um vieles schwieriger als Buben und reißen manchmal ganze Klassen mit. So wie jetzt gerade. Eigentlich wollen sie nicht lernen, sie wollen sowieso heiraten und Kinder, der Mann soll dann arbeiten, wieso sollen sie sich in Chemie plagen oder in Mathe. Sie haben Menstruationsprobleme, Kopfschmerzen, Kreislauf, fühlen sich müde und überhaupt, es ist heiß oder es regnet. Nicht übertrieben. Und dann kommt bei den Mädchen noch eines dazu – Witchcraft – Hexenzauber.

Eine nicht geschaffte Prüfung liegt natürlich nicht daran, dass man zu wenig gelernt hat. Nein, irgendwer hat sie verhext, weil sie so hübsch ist, hübscher als die Banknachbarin, die wars.

Heute hatten wir 14 Mädchen aus Form 2 (also zweite Klasse Highschool) denen allen gleichzeitig schlecht wurde und schwindlig. Es kam ein Team vom Spital angerückt, macht natürlich ein tolles Bild im Ort, vielleicht ja doch eine Krankheit, Lebensmittelvergiftung. Komisch nur, heute sind Schularbeiten. Dann von allen, sie wurden verhext.

An manchen Tagen bin ich ganz dicht davor, alles in eine reine Bubenschule umzuwandeln. Auch Pubertät, Raufereien, schlechte Noten, aber dann geht man Basketball spielen zusammen und gut ist. Keinerlei Hexenzauber.

Am Freitag bin ich schon vor Ort, da gibt es Ansprache.

Die 14 Mädchen von heute haben wir übrigens zur Erholung heimgeschickt, Vor dem Mittagessen, kocht euch zuhause was. Das hilft dann meistens.

Gabriela Vonwald

 

Meine Enkelin hat am Sonntag 14. Geburtstag und wünscht sich eine bestimmte Sorte Sportschuhe. Kosten ein Vermögen, ich erkenne ehrlich gesagt nicht den Unterschied zu allen anderen Firmen, aber es soll so sein, bekommt sie. Halte ich immer noch für besser als das neueste Computerspiel.

Bei unseren Kindern in Kenia stehen auch oft Schuhe auf dem Wunschzettel, nur haben sie hier eine ganze andere Bedeutung. Ein Paar Schuhe, also richtige, aus Leder, feste für die Schule, macht einen Unterschied. Es zeigt auch nach außen – schaut her, ich gehe in die Schule. Und ich gehe nicht barfuß, ich habe Schuhe. Ich bin Jahrgang 1957 und erinnere mich an die Erzählungen meiner Eltern und Großeltern, dass dies bei uns vor gar nicht so langer Zeit genauso war.

Schuhe in Kenia

Diese Schuhe für die Schule, die eigentlich integrierender Bestandteil der erforderlichen Schuluniform sind, sind kaum leistbar für die meisten Eltern. Aber zum Schuleintritt versucht man es, nimmt die billigeren aus Plastik, stoppelt es irgendwie zusammen. Aber jeder, der Kinder hat, weiß – nichts wächst so schnell wie Kinderfüße. So dass dann die mühsam finanzierten Schuhe nach manchmal zwei Monaten bereits zu klein sind. Bei denen aus Plastik kann man dann auch nur noch wegwerfen. Zur Erinnerung, unsere Kinder gehen zu Fuß, werden nicht mit Auto oder Schulbus gebracht, keine asphaltierten Strassen, Staub, Sand, Regen, Matsch. Selbst die Lederschuhe halten kaum länger als ein Jahr, sonst würden wir sie jüngeren Kindern geben. Schuhe schenken

Schuhe stehen also immer wieder auf der Wunschliste, auch wenn das für Paten, die gern „was Besonderes“ schenken wollen, manchmal vielleicht langweilig, frustrierend, nicht so schön ist. Für die Kinder machen gute Schuhe einen gewaltigen Unterschied, heben ihre Stellung in der Gesellschaft, zeigen ihnen, du bist wichtig genug, dass dir jemand sowas schenkt. Und in sofern ist es nicht anders als bei meiner Enkelin.

In der Secondary sind gute Schuhe übrigens noch mehr Pflicht. In jedem Kindergarten oder Unterstufe werden Lehrer alle Augen zudrücken, wenn ein Kind barfuß kommt. Jeder hier weiß, ist halt so, Hauptsache das Kind kommt überhaupt. Nicht so in der Highschool – keine Schuhe, ab nach Hause. Das war übrigens vor 16 Jahren meine erste Begegnung mit unserem Michael, der fast wirklich mein Sohn ist. Er kam zu einer Besprechung mit seinem Vater, meinem guten Freund Mr. Karani, 14 Jahre alt, eigentlich sollte er in der Schule sein. Aber, Schuhe passten nicht mehr, kein Geld. Ich hab ihm Schuhe geschenkt, und bis heute sagt er, das war der wohl prägendste Eindruck seiner Jugend.

Gerade haben Sarah und ich übrigens wieder 4 Paar geschenkte Fussballschuhe verpackt, also die richtigen, die sich in Kenia kein Kind einfach so leisten könnte. Schuhe sind einfach das Besondere und daher, davon können wir nie genug haben.

Gabriela Vonwald

 

 

Immer wieder geht es im Leben ja um Kompromisse. Nichts, wirklich nichts, ist nur schwarz oder weiß (und damit meine ich jetzt nicht die Hautfarbe), es gibt wesentlich mehr Grautöne. Und – viele der Dinge, die für uns in Europa ein Thema sind, muss man sich in einem Dritte Welt Land erst einmal leisten können.

Nun neigen wir Europäer ja gerne dazu, unsere Leitkultur, unsere Ansicht der Dinge, unser Weltbild und unsere Erkenntnisse aller Welt nicht nur mitzuteilen, sondern gern auch vorschreiben zu wollen. Und dazu möchte ich gern einige Beispiel hier aufzeigen, vielleicht regt es ja ein wenig zum Nachdenken an.

Aufhänger für diesen Post war, dass wir für unsere neue Schule für einen Spielplatz sammeln.

So wie hier abgebildet (der steht in der Vonwald-Schule) kostet er 3.800,- Euro. Und natürlich kam recht rasch der Einwand – alles Plastik, ob das so gut ist für die Welt.

Nun ist der Anteil Kenias am weltweiten Plastik wohl – zumindest im Vergleich zu Deutschland oder Österreich – vernachlässigbar. Keine Getränke in Plastik, man holt das Wasser auf dem Kopf von irgendwo. Keine verpackten Nahrungsmittel, fertig und vorgekocht für die Mikrowelle, keine Knabbersachen für Zwischendurch oder gar geschnittenes Obst in einem Plastikschüsselchen. Und über Mikroplastik in Kosmetika müssen sich die meisten kenianischen Frauen auch keine Sorgen machen, genauso wenig wie übermäßig viel Plastik in den Kinderzimmern.

Bei solch einem Spielplatz kommen aber noch andere Dinge dazu. Die hohe Luftfeuchtigkeit, salzhaltig, weil direkt am Meer. Aus Holz vom örtlichen Tischler gebaut müssten wir nicht nur mindestens einmal im Jahr streichen, wir müssten auch immer wieder Teile ersetzen. Durch Holz. Wir hatten das schon. Nun ist aber Kenia kein Land der Wälder oder der Holzindustrie. Entweder man holzt einzelne Bäume ab, oder man importiert, was auch keinen tollen CO2-Abdruck hinterlässt. Dieses spezielle Kunststoffmaterial muss nicht nachgestrichen werden, heizt sich nicht auf, die Kinder können sich nicht verletzen und es hält ewig. Und alles, was ewig hält und nicht der Wegwerfmentalität unterliegt, ist in meinen Augen nachhaltig. Und da darf es dann auch im Einzelfall mal Plastik oder Kunstoff sein. Zumal hier nicht an jeder Ecke ein Spielplatz herum steht, es erfreut also definitiv viele Kinder, sehr viele.Wofür entscheiden wir uns also jetzt? Pest oder Cholera?

Wir hatten eine ähnliche Diskussion schon vor einigen Wochen wegen Eiern, die unsere Kinder einmal pro Woche zum Frühstück bekommen. Eier, ganz schlimm, die armen Hühner. Diese Hühner bringen kleinen Familien das zum Überleben notwendige Geld, um zu essen, sich das Schulgeld leisten zu können. Sie sitzen nicht in Legebatterien, vor allem aber, wir reden von mangelernährten Kindern. Ein Ei enthält so ziemlich alles in bioverfügbarer Form, was so ein Mensch zum Wachsen und Lernen braucht. Wir könnten natürlich auch Nahrungsergänzungen in Plastikdosen einfliegen lassen – Ironie off.

Ich hatte auch schon Diskussionen, wenn ich den Kindern bei Familienbesuchen ein Zuckerl gebe – du bringst Diabetes nach Kenia. Oder die immer wieder mal aufkeimende Diskussion über die Schuluniformen, meiner Meinung nach das beste Beispiel für gelebte Nachhaltigkeit. Maximal zwei im Jahr, zuhause haben die Kids ein bis zwei T-Shirts zur zerrissenen Hose. Das wars. Und kritisiert wird es von Shopaholics mit überquellendem Kleiderschrank.

Und ein ganz großes Thema – zu viele Kinder. Ein wenig erinnert es mich an die deutsche Atompolitik. Bei uns nicht, wir importieren es dann aus dem Ausland.

Wir hier dürfen Kinder bekommen, die da nicht, dafür sind wir aber ganz geil auf Fachkräfte aus dem Ausland. Übrigens ist erwiesen, dass auch bei uns eher bildungsferne, finanziell schlechter gestellte Familien mehr Kinder bekommen, nur dass sie hier von der Allgemeinheit mitfinanziert werden über Kinderbeihilfe, Gratisschulen, Elterngeld usw. Und wenn ich dann bei solchen Diskussionen einwerfe – auch bei uns gab es noch zwei Generationen zurück 6 bis 8 Kinder pro Familie und wenn du wüsstest, deine einzige Chance im Alter nicht zu verhungern wären deine Kinder, und zwar die, die die hohe Säuglingssterblichkeit überlebt haben, hätten wir dann bei uns die 2-Kind-Familie? Dass sich was ändern m uss, keine Frage, irgendwann purzeln wir von dieser Erde alle herunter. Aber haben ausgerechnet wir hier das Recht, einer kenianischen Frau vorzuschreiben, jetzt reicht es? Man muss es sich leisten können, wenige Kinder zu haben, diese gut auszubilden und im Alter nicht von ihnen abhängig zu sein. Stichwort wie immer – Bildung, Aufbau eines sozialen Netzes.

Wir sind immer sehr schnell damit, Urteile zu fällen, Meinungen zu haben, unser Weltbild nach draußen zu transportieren. Wie viel besser wäre es, sich mal in die Schuhe des anderen zu stellen. Harambee bietet übrigens auch das, eintauchen in die Lebenswelt eines anderen Landes, sich auseinandersetzen, lernen.

Wir suchen übrigens weiter Spenden für diesen Spielplatz, in Kunststoff. Damit wir die nächsten Jahre keine Ressourcen verschwenden müssen.