Ich habe lange überlegt, ob ich Stellung beziehen soll, ob ich mich äußern soll. Einige haben mir abgeraten, andere aber fragen direkt – wie ist das denn bei euch. Und jetzt sind es schon zwei Dinge, die es vielleicht klarzustellen gilt.

Zunächst einmal, beginnend mit unserem Nachbarland Deutschland, gibt es ja seit einiger Zeit die Diskussion über die Rolle von NGOs und deren Förderung mit Steuergeld. Um es gleich klarzustellen, ich bin absolut dagegen, außer solch eine NGO tut auch tatsächlich etwas für seine Bürger. Aber – wir sind keine NGO in Österreich/Europa, wir sind ein Verein. Und verglichen mit anderen immer noch klein und überschaubar. Wir finanzieren uns ausschließlich über private Spenden und bekommen keinerlei steuerliche Zuwendung. Entwarnung also.

Hier ging es also ausschließlich um Geld. Das war einfach.

Die zweite Sache wiegt so viel schwerer und wenn ich lese – vertraue keiner Organisation, die mit Kindern zu tun hat, dann trifft mich das mitten ins Herz.

Gemeint ist Herman Gmeiner, ein Österreicher, verstorben 1986 und Gründer der weltweiten SOS-Kinderdörfer. Und der ganz offenbar und bewiesen in mehreren Fällen Buben missbraucht hat. Absolut nicht zu entschuldigen. Abscheulich. Herr Gmeiner war für mich immer eine Lichtgestalt, jemand, den ich bewundert hatte für diese einmalige Idee. Und die Idee ist bis heute gut und ich hoffe für alle betroffenen Kinder, dass alles aufgeklärt wird und sich trotzdem alle Häuser weltweit erhalten können. Ich freue mich keineswegs, wenn andere scheitern. Auch nicht bei kleinen Vereinen, die in Kenia helfen wollen, und da sehe ich seit 20 Jahren viele scheitern. Weil jedes Scheitern Wasser auf die Mühlen derer ist, die sagen – denen kann man nicht trauen. Wer weiß, ob mein Geld ankommt. Ich spende nichts.

Warum ich so sicher bin, dass sowas wie die SOS-Angelegenheit bei uns nicht passieren wird, möchte ich hier kurz auflisten:

  1. Wir haben keine europäischen Mitarbeiter/innen in Kenia. Es fliegen manchmal Paten hinunter, die rund um die Uhr betreut werden und die man nicht allein mit den Kindern lässt. Aber alle anderen sind Kenianer, die fest angestellt sind.
  2. Wir sind in Kenia gut vernetzt und eingebunden in die Gemeinde, stehen unter Beobachtung aller Familien und Eltern und arbeiten eng mit dem Jugendamt zusammen.
  3. Wir haben engagierte Sozialarbeiterinnen – ja, Frauen, eine Psychologin, unsere Kinder sind nicht mit irgendwem allein.
  4. In unserem TCC-Haus, in dem derzeit 30 jüngere Kinder während der Schulzeit leben, werden alle von zwei engagierten Frauen betreut und einmal wöchentlich von unserer Sozialarbeiterin besucht.
  5. Die Strafen für jede Art von sexuellen Übergriffen auf Minderjährige sind in Kenia gewaltig. Da bleibt es nicht bei Verwarnungen oder einem „das tut man nicht“, da gibt es viele Jahre Gefängnis und kenianische Gefängnisse sind keine Komfortzone.
  6. Und schließlich – wir operieren nicht weltweit in einem riesigen Konzern, nicht einmal Kenia-weit. Wir helfen in einer Gemeinde, wo man sich kennt, wo man alles gut überschauen kann und es keine Geheimnisse gibt.

Das heißt, ich kann nicht garantieren, ob Kenianer das kenianischen Kindern zuhause antun. Ich kann aber garantieren, dass es niemand in der Organisation den uns anvertrauten Kindern antut. Seit ich begonnen habe, tue ich alles, Menschen zu sensibilisieren für jede Art von sexueller Belästigung, sexueller Übergriffe, egal ob Kinder oder Erwachsene. Beim kleinsten Verdacht schalten wir die Polizei ein oder im Falle sexueller Belästigung am Arbeitsplatz wird sofort gekündigt. Und ja, auch Führungspersonal.

Daher meine Bitte – Hinschauen überall, aber bitte nicht alles in Frage stellen und Hilfe einstellen. Dann hätten die A…löcher gewonnen.

Dr. h.c. Gabriela Vonwald

 

 

Nichts erfüllt mich mehr mit Stolz, als wenn wieder einige unserer jungen Menschen „fertig“ geworden sind. Nicht nur fertig mit der Schule – bisher haben wir in 6 Jahrgängen rund 240 Maturanten und Maturantinnen aus unserer Schule entlassen, junge Menschen, die teilweise schon seit dem Kindergarten bei uns waren, also seit 14 Schuljahren. Daneben gibt es rund 140 Studenten und Studentinnen an diversen Universitäten, Colleges und Berufsschulen und weitere 46 starten 2025 und ungefähr genau so viele beenden ihre Studien.

Aber so richtig endet unsere Hilfe ja immer erst, wenn jemand sein Zertifikat, sein Diplom, seinen Bachelor in den Händen hält. Und oft nicht einmal dann, denn danach helfen wir Lebenslauf schreiben, Anstellung suchen. Und das beginnt schon während des Studiums, denn jeder Student muss verpflichtend ein 3-monatiges Praktikum machen, was ich sehr begrüße, denn oft erwächst daraus später eine Anstellung. Und hier nutzen wir unsere Kontakte. Gerade wieder haben wir für einen jungen Mann, der Kriminologie, Forensik und Sicherheit in Gemeinden studiert, eine Praktikumsstelle im örtlichen Gefängnis besorgt. Dort haben wir drei Jahre lang geholfen mit Spenden für die einsitzenden Mütter, und ja, eine Hand wäscht die andere und das fordern wir zunehmend auch ein.

Viele Praktikumsplätze gibt es in unseren 4 Schulen oder auch in der Special Unit Klasse. Wer mal Lehrer werden will, der ist gut aufgehoben, in den Klassen zu helfen, eine zukünftige Krankenschwester vermitteln wir in unser Partnerspital. Und auch einfach mal Hand anlegen auf unseren Baustellen tut nicht weh und man kann sich in den Ferien ein Taschengeld verdienen.

Und ganz oft übernehmen wir nach der Ausbildung auch einige dieser jungen Menschen zu uns und in unsere Gehaltsliste. Zum Beispiel haben wir bereis zwei selbst produzierte Lehrer und sogar unser Schulleiter ist ein Produkt unserer Hilfe.

Unsere Arbeit ist erst getan, wenn sich jemand selbst erhalten kann, ein Einkommen heimbringt.

Nein, noch haben wir keine ganz große Welle an fertigen Berufen. Aber auch die bisher rund 50 ausgebildeten jungen Menschen machen einen Unterschied. Durch ein Einkommen, vor allem aber auch dadurch, dass sie in ihren Familien, in ihren Gemeinden ein Vorbild sind, vor allem für die jüngeren. Ja, du kannst es schaffen, es ist nicht dein Schicksal, arm und ungebildet zu bleiben. Hoffnung, die sich multipliziert.

Und das Größte ist am Ende dann immer die Graduation-Feier in den jeweiligen Bildungseinrichtungen. Manchmal muss man da quer durchs Land fahren, zurück zur ehemaligen Uni. Solche Graduation finden einmal im Jahr statt, das heißt, manchmal ist jemand schon monatelang „fertig“, aber es gibt eben das Papier noch nicht. So ging es gerade unserer Caroline. Im März fertig studiert mit dem Studium „Wildlife Research“ , Praktikum gemacht, jetzt endlich der große Tag. Nur – viele können es sich gar nicht leisten, wirklich dabei zu sein. Wer soll die Fahrt bezahlen, die Übernachtung, etwas Nettes zum Anziehen. Und wenn schon, dann ist man allein, Eltern auch noch mitzunehmen, übersteigt alle finanziellen Mittel. Wo immer es mir möglich ist, versuche ich es daher. Bei Caroline gab es Fahrkarten für zwei Personen, Übernachtung für zwei, Kleidung für zwei, sodass die Mama am großen Tag der Tochter dabei sein konnte.

Und was mich immer wieder fasziniert – alle wollen irgendwann weiter lernen. Vom Diplom zum Bachelor, vom Bachelor zum Master. Ganz viele bewerben sich um Auslandsstipendien, um ihren Doktor zu machen, etwas, das ich so von Österreich gar nicht kenne.

Gleich nach der Graduation schrieb mir Caroline – „through your support in my studies I have become the lady I always envisioned. My learning does not stop here, one step at a time, but I will be a professor one day.“

So schnell waren wir noch nie. Und wenn ich wir sage, ist das von meiner Seite ein Schmücken mit fremden Federn, denn das Lob gebührt ganz allein unserer Sarah, die von sich sagt, sie sei kein Zahlenmensch, die aber das Wunder vollbracht hat, am 1. des neuen Jahres abends mit dem Finanzbericht fertig zu sein. 13.477 Buchungen. Den Rechenschaftsbericht, also ausformuliert das, was wir alles 2023 mit dem Geld in Kenia bewirken konnten, den gab es ja schon einen Tag vorher. Und – es war das beste Jahr, das Harambee je hatte, mit knapp einer Million Euro an Spendenaufkommen und nur 0,5% Verwaltungskosten.

Nun, ich bin auch nicht so der Zahlenmensch, aber aus einem anderen Grund. Mich interessiert nicht nur, dass alles „ordnungsgemäß“ verbucht wurde, dass auch alles nach Kenia ging, mich interessiert, wie sinnvoll wurde es dort eingesetzt. Ganz flapsig ausgedrückt, wenn ich morgen die Miete nicht zahlen kann, gehe ich heute nicht ins Tatoo-Studio. Also ich zumindest nicht. Oder auf Kenia übertragen – auch wenn ich sehr zukunftsorientiert bin und weiß wo ich in einem Jahr, in drei Jahren, in fünf Jahren stehen will, geht es doch darum, die Balance zu halten zwischen Hilfe heute und Blick in die Zukunft. Genauer gesagt, Grundstücke kaufen, Gebäude errichten, natürlich, aber doch erst, wenn ich die Basics abgedeckt habe – qualitativer Unterricht für alle Kinder im Projekt, Frühstück, vielleicht sogar ein Mittagessen, Krankenversicherung, vor allem aber – Schulbücher und Unterrichtsmaterial. Am Beispiel unserer neuen Schule – ja, wir bauen auf einem neuen Grundstück und haben schon gerodet, Zaun drum herum, Eingangstor, Wasser, Wasserspeicher, Toiletten, das erste Gebäude startet demnächst. Aber ich hätte das niemals begonnen, wenn ich nicht vorher und parallel dazu alle 125 Kinder, die derzeit in einem nicht so guten Umfeld lernen, Möbel, Schuluniformen, Schuhe, Sportdressen und vor allem Bücher für alle verschafft hätte. Plus ein Porridge Frühstück, Bananen, Eier, was immer. Plus Krankenversicherung. Plus – Kinder sollten in einem Bett schlafen. Und während El Nino, des Hochwassers, sind Decken, warme Kleidung, eine neue Hütte für eine Familie, die alles verloren hat, das Gebot der Stunde, da muss auch der neue Basketballplatz kurz mal warten.

Dieser Spagat zwischen Gegenwart und Zukunft ist nicht immer einfach, aber ich bin jetzt fast 40 Jahre selbständige Unternehmerin, da gehört dies zum täglichen Geschäft.

Auch wichtig hinter den Geldern, die nach Kenia gehen – wie sorgfältig wird da damit umgegangen. Wer bügelt Fehler aus? Die letzte Frage kann ich schnell beantworten – ich. Die erste Frage, nämlich wie sorgfältig wird mit dem Geld umgegangen, erfordert viel Kommunikation, auch einiges an Kontrolle und genauso viel Wissen über Preise, Verhältnisse, Strukturen. Beginnt schon oft damit, welcher Umrechnungskurs wird mir da angeboten. Seit ich mich selbst Tag genau direkt in der Bank erkundige, bleibt uns wesentlich mehr übrig. Immer wieder das Abwägen von Qualität und Preis und auch – welcher Preis wurde mir genannt und bekomme ich dann auch die gezahlte Qualität. Ein sehr beliebter Hütchenspielertrick in Kenia. Haben die Kinder wirklich die Schuhe um 1.200 KHS bekommen, die mir verrechnet wurden, oder die billigen um 400, die nach einer Woche kaputt sind? Und irgendwann merken dann auch alle – betrügen geht nicht, die kommt uns auf die Schliche. Notfalls frage ich meine Freundin, die nicht weiß, worum es geht, „du, sag mal, was kosten gerade gute Schuhe für die Schule, was kosten 2 Kilo Mais oder wie ist gerade der Benzinpreis?“

Und daher – dieser Finanzbericht ist nicht nur großartig, ich kann versichern, das gesamte Geld wurde auch auf der anderen Seite des Äquators so verwendet, als hätten alle vor Ort jeden Euro selbst verdienen und aus ihrer Tasche nehmen müssen.

Danke an alle für dieses großartige Jahr.

 

Gabriela Vonwald