Kenia in Corona

Nach einem Jahr kompletter Pause, in der dennoch viel weiter gegangen ist, bin ich gestern wieder in meiner zweiten Heimat angekommen. Allen Unkenrufen zum Trotz ein entspanntes Reisen mit wenig Gedrängel und freundlichem Personal, ohne Warteschlangen und keinerlei Schikanen oder Hindernisse beim Einreisen. Da ich mich in diesen ersten Tagen vor allem um mein Haus kümmern möchte, also noch von keinen Abenteuern im Sinne unseres Projektes zu berichten habe, versuche ich mal meine ersten Impressionen zu teilen, wie mein Eindruck ist von Covid in Kilifi (über ganz Kenia zu sprechen, möchte ich mir nicht anmaßen).

Erster Eindruck – die Menschen sind sehr diszipliniert, alle tragen bei Kontakt oder in Geschäften Maske, in unserer Schule auch die Kleinsten, gern sogar, weil es die Großen auch machen. Alle Kids waschen nonstop Hände, einfach weil diese Waschstraßen mit Fußpedal so cool sind. Und allen ist auch klar – Hände waschen, Maske tragen, sonst keine Schule, end of the story. Was hier niemand riskieren will.

Erste Gespräche mit Lehrern, die ja sehr vernetzt sind, haben aber gezeigt, dass dies „Draußen“, also in anderen Schulen, nicht so ist. Ganz viele Kinder wollen nach der langen Zeit des Lockdowns nicht zurück in die Schule. Überhaupt die Größeren, die in diesen 10 Monaten erlebt haben, dass sie vielleicht mit Tagelöhner-Jobs auch ganz gut über die Runden kommen. Wie kann man es auch 16jährigen verübeln, dass das, was man Zukunft nennt, für sie noch in weiter Ferne liegt, unsicher und wer weiß, was bis dahin sein wird. Aber die 100 Keniaschilling für irgendeine Arbeit, die hab ich gleich und kann meine Familie unterstützen. Es gibt daher in ganz Kenia strenge Kontrollen der Schulen, man muss Listen schreiben, welches Kind fehlt seit wann und warum und was haben wir als Schule unternommen dagegen. Viel Papier.

Was uns hier in der Highschool wirklich gute Dienste leistet, ist die Tatsache, dass wir für alle, wirklich alle, jetzt ein Tablet haben. Und nicht nur einfach das Tablet, sondern auch Programme dazu, Unterrichtsmaterialien, zusätzliche Tools, ein Lernsystem. Und die Lehrer eingeschult wurden.

Jedenfalls begegnet einem überall von großen Plakatwänden bis hin zu kleinen Markständen das neue Mantra – „Mikono-mask-nafasi“. Was gleichzusetzen ist mit unserer Empfehlung – „Hände waschen, Maske tragen, Abstand halten“.

Wobei mir gefällt, dass hier weniger von Social Distance geredet wird denn von Physical Distance. Und daran hapert es durchaus. Winzige Geschäfte, vollgestellt mit Waren, und dann quetschen sich da noch drei Angestellte und vier Kunden durch. Dafür kann man überall kontaktlos Fieber messen und per Fußhebel Hände desinfizieren. Und alles, wirklich alles hat offen. Es kommt einem direkt seltsam vor.

Soviel zur Prävention oder dem Versuch. Ganz anders, nämlich deutlich weniger entspannt, ist die Situation in den Kliniken und was Versicherungen angeht. Es sind ja ohnehin in Kenia nur rund 40% aller Menschen überhaupt versichert, nämlich dann, wenn sie angestellt sind oder wie bei uns alle Kinder. Alle Versicherungen des Landes haben aber gleich im März schon erklärt, dass sie keinerlei Kosten in Zusammenhang mit Covid übernehmen, also auch dann nicht, wenn man gut versichert ist. Nun ist vor Kurzem ein Arzt gestorben, der sich im Spital infiziert hatte, die Versicherung hätte ihm die Behandlung nicht zahlen wollen (so einmal Intensivstation ist mehr, als ein Kenianer, selbst wenn er ganz gut verdient, in seinem ganzen Leben verdient), er wusste nicht, was er machen sollte und ist innerhalb kurzer Zeit unbehandelt gestorben. Ja und seit gestern streiken nun die Ärzte in allen öffentlichen Spitälern in Kenia, dass sie sich unter diesen Umständen der Gefahr nicht aussetzen, und jetzt liegt der Ball bei der Regierung.

Auch alle Lehrer natürlich, die ja alle versichert sind, würden im Ernstfall die Behandlungskosten für Covid nicht erstattet bekommen. Im Grunde liegt da die Versuchung nahe, eine andere Diagnose zu erfinden.

Tsamas Frau Eve ist ja Krankenschwester im Aga Khan Hospital und bestätigt ebenfalls, dass teilweise die Situation dramatisch ist. Im April hat man sogar Krankenhäuser einfach dicht gemacht, weil es keine Betten mehr gab und kein Personal.

Es gibt auch keine Massentests oder Tests in der Apotheke. Ich selbst habe daheim ja versprochen, einmal pro Woche lasse ich mich testen. Dafür gibt es in der gesamten Region genau ein Krankenhaus/Labor, KEMRI. Und da nur testen geht, wer glaubt, Symptome zu entdecken, denn der Test kostet, werde ich auf jeden Fall einen „ich komme außerhalb der normalen Zeit-Termin“ vereinbaren und das gern bezahlen.

Und wenn ich mir das so alles anhöre und trotzdem diese Gelassenheit, Fröhlichkeit, Frustrationstoleranz erlebe bei Menschen, deren Leben auch ohne Covid um so viel schwerer ist als unseres, davon könnte man lernen.

Ach ja – was es natürlich einfacher macht, derzeit haben wir hier 32 Grad.

Morgen werde ich zuerst mit unseren engsten Mitarbeitern, genannt Boygroup, obwohl inzwischen 3 Frauen dabei sind, Frühstücken gehen. Dabei entstehen immer so herrliche Gedanken, Gespräche, Ideen und wir haben mindestens zwei Stunden viel zu Lachen.

Und im kommenden Beitrag erzähle ich, warum wir mit unserer Schule die Krise so gut geschafft haben bisher, zumindest sehe ich es so, keine Schüler verloren haben, selbst die Lerndefizite nicht sooo exorbitant sind und was wir alle daraus lernen wollen.

Gabriela Vonwald

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