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Kein Leben ohne Geburtsurkunde

Unsere Eva, die für die gesamten Einschulungen zuständig ist, die die Datenblätter der Kinder in Kenia erstellt, die Familiengeschichten weiß, unser Link zum Jugendamt, stellt bei einem neuen Kind drei Fragen und zwar in der Reihenfolge:

  1. Wie heißt du?
  2. Wie alt bist du?
  3. Hast du eine Geburtsurkunde?

Beziehungsweise bekommen alle Eltern, die ihre Kinder zu uns bringen wollen, egal woher, egal in welcher Situation, diese Fragen gestellt.

Laut Gesetz dürfen Schulen niemanden mehr aufnehmen, der nicht zeitnah eine Geburtsurkunde bringt. Denn ohne Geburtsurkunde können die Kinder keine Prüfungen ablegen, nicht Schule wechseln, nicht studieren. Sie sitzen dann zwar und lernen, das Lernen wird aber nicht anerkannt. Und wir können auch leider keine Versicherung abschließen.

Nun ist zeitnah in Kenia ein dehnbarer Begriff, im Falle Geburtsurkunde manchmal auch durchaus ausgedehnt auf ein bis drei Jahre. Und da sind wirklich nicht immer die Eltern Schuld. Um solch ein Dokument nämlich zu bekommen, müssen zuerst einige Hürden genommen werden. Man muss zunächst mal wissen, wann ist denn mein Kind überhaupt geboren? Klingt komisch, aber eine analphabetische Mutter wird das bei Kind Nummer 6 oder 8 nicht mehr so genau nehmen, überhaupt dann, wenn man sich eben nicht gleich um eine Eintragung kümmert. Zuerst muss der Mais geerntet werden, dann ist es Zeit für Aussaat, für die Hühner, die Ziegen, den ältesten Sohn, und so vergeht manchmal ein Jahr oder zwei. Und dann weiß man nur noch – muss der oder der Monat gewesen sein in dem Jahr, als der Mais besonders hoch stand. Das Geburtsdatum auf allen Papieren, auch denen, die wir dann bekommen und auch an Paten weitergeben, ist nahezu immer geschätzt. Ich würde danach also nicht unbedingt ein Horoskop erstellen.

Danach muss sich ein männlicher Verwandter auftreiben lassen. Vor allem dann, wenn Vater nicht bekannt, verschwunden oder aus anderen Gründen nicht greifbar.

Die größte Hürde aber ist, irgendwer aus der Kernfamilie, am besten Mama oder Papa oder beide, sollten über eine ID-Card verfügen. Und für diese ID-Card muss der Chief der Region, in der ein Mensch geboren wurde, eine Bestätigung ausstellen.

So – und jetzt haben wir die Situation, viele unserer Familie kommen aus dem Hinterland, sind auf Jobsuche vor Jahren nach Kilifi oder Tezo gezogen, und wissen einfach überhaupt nicht, wie gehe ich es denn jetzt an, dass ich diesen Chief (sowas wie ein Bürgermeister) überhaupt erreiche. Sie können vielleicht nicht schreiben, können nicht telefonieren und würden es sich vielleicht auch gar nicht trauen, wie finde ich dazu die Telefonnummer, also lieber weiter warten und die Zeit verstreichen lassen.

Alle Schulen kämpfen mit dem Problem, nur, wir kämpfen an der Seite der Eltern. Heißt – WIR kontaktieren die Chiefs, lassen nicht locker, haken nach, und wenn das Papier dann da ist, karren wir die Eltern zum Meldeamt, füllen Formulare aus und bleiben dort, damit sie nicht wieder davon laufen. Daher ist unsere Ausbeute auch sehr hoch, in der Vonwald sind es gerade noch 9 Kinder. Tezo macht uns da etwas Sorgen, aber wir sind auf der Zielgerade. Diese Woche hat unser Mr. Mangi da die letzten Kraftakte unternommen, alles auf Schiene, zeitnah bekommen wir also hin.

1 Kommentar
  1. Katharina sagte:

    Wieder ein sehr interessanter Beitrag. Danke. Wir haben einfach keine Vorstellungen, wie es anderswo sein kann. Toll, dass ihr da so dahinter seid und die Eltern auch unterstützt!

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