Kein Mobbing

Immer wieder werde ich gefragt, warum denn unbedingt Schuluniformen, warum haben alle Mädchen die gleiche Frisur, warum lässt man keine Individualität zu. Viele Eltern können sich die Schuluniform doch gar nicht leisten, warum besteht ihr darauf?

Nun, zunächst einmal, nicht wir bestehen darauf, es ist staatliche Vorschrift. Das Unterrichtsministerium gibt uns die Vorlage – Schuluniform ist Pflicht und wir müssen angeben, welche Art, welche Farben, welches Design. Innerhalb einer Region wird dies dann kein zweites Mal erlaubt. Ihr erinnert euch, als wir unsere zweite Schule in Tezo registrieren ließen, wurde uns vorgegeben, gleich Uniform wie die erste. Kinder müssen sozusagen auf der Strasse erkennbar und einer Schule zu zu ordnen sein.

Man kennt aber Schuluniformen nicht nur aus Kenia. Auch in England gibt es das und sicher auch noch in vielen anderen Ländern.

Der Sinn dahinter soll sein – niemand hebt sich auf Grund seiner Kleidung hervor. Gerade in Ländern mit erheblichen Ungleichheiten im Einkommen ist dies wirklich wichtig. Manche Kinder kommen sonst barfuß und im zerrissenen T-Shirt, andere im gelabelten Sweater. Wenigstens in der Schule sollen diese Unterschiede verschwinden und sich ausgleichen.

Ebenso die Frisuren bei den Mädchen. Wir haben in den ersten Jahren alles erlaubt und hatten dann nach einer Weile völlig absurde Situationen. Manche der Mädchen hatten wahre Kunstwerke am Kopf, was auch wieder viel Geld kostet, andere kamen kahl rasiert. Manchmal kamen Kinder nicht in die Schule, weil die Frisur noch nicht fertig war. Oder sie konnten auf Grund irgendwelcher Kunstwerke am Sportunterricht nicht teilnehmen.

Daher gilt bei uns jetzt wie in allen staatlichen Schulen auch – alle Mädchen gleiche Frisur (man nennt diese eng an den Kopf geflochtenen Zöpfe auch shikamos), wir sind hier nicht am Laufsteg. Bei Haaren kommt noch der Hygieneaspekt dazu, denn Wasser ist Mangelware, Haare waschen daher Luxus. Man kann sich vorstellen, was da in einer Gemeinschaft in Kürze so entstehen würde.

Soweit so gut. Und nein, jetzt einem Patenkind kleine Geschenke zu machen, wird das Gefüge nicht gleich ins Rutschen bringen. Vor allem, wenn es nützliche Dinge sind wie eine neue Schuluniform, Schuhe, Hefte, Schultasche, ein Bett, Essenspakete. Selbst ein Fahrrad geht noch durch, denn damit kann man auch schon mal Wasser transportieren oder Lebensmittel, Feuerholz oder die kranke kleine Schwester.

Aber jetzt haben wir mit der Erlaubnis – ja, wir schicken wieder Sammelpakete nach Kenia – eine Tür geöffnet, die das ganze Gerüst ins Wanken bringt. Da kommen plötzlich Geschenke zum Vorschein, die hier bei uns wahrscheinlich unsere Kinder nicht vom Hocker reißen, die aber in Kenia schnell dazu führen können, dass wir genau das erzeugen, was all die Schuluniformen und Frisuren zu vermeiden suchen – ein Kind ist plötzlich „besonders“. Kann sein, dass bei uns ein T-Shirt oder eine Packung Buntstifte „wenig“ ist, nicht der Rede wert. In Kenia ist es vollkommen ausreichend. Einmal im Jahr, nicht ständig. Wobei ich Kleidung immer befürworte, Unterwäsche, T-Shirts, Sweater, Regenjacken – wunderbar.

Aber wir müssen uns doch fragen – ist es wirklich notwendig, chinesischen Plastikmüll auch noch in ein Dritte Welt Land zu schicken? Kennt ein Kind das, was wir da schicken überhaupt? Kommt es in seiner Welt vor? Und könnte man es nicht viel preiswerter in Kenia kaufen? Bälle gibt es beispielsweise an jedem Kiosk in allen Farben.

Ja, ich tue auch viel für meine Patenkinder. Ich bezahle meinen beiden Buben Victor und Vincent beispielsweise die Miete für einen Raum, sauber, trocken, in dem sie mit ihrer Oma leben können, nachdem ich sie unter einer Plane vorgezogen habe. Ich bezahle meiner Sophia, die dieses Jahr maturiert, Nachhilfestunden in Mathe. Immer wieder mal allen neue Schuhe. Warme Decken, ein bestimmtes Buch fürs Studium. Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten, Klassenfahrten, Ausflüge. Und ja, gern auch den Kleineren mal ein Auto oder ein Stofftier. Eins, nicht eine ganze Wagenladung.

Und noch ein Aspekt kommt dazu, wenn wir Spielsachen schicken, die man so in der Community nicht kennt. In einem Land, indem noch alle an Hexenzauber und den bösen Blick glauben, kann das schnell in Ächtung eines Kindes übergehen. Wir hatten vor Jahren mal den Fall, da bekam eins unserer Mädchen eine Schneekugel geschenkt. Die plötzlich alle für Teufelszeug hielten. Wir mussten das Mädchen dreimal Schule wechseln lassen, weil überall bereits der Ruf voraus ging. Wegen einer Schneekugel. Okay, das hat sich in unseren beiden Schulen inzwischen geändert. Aber es bleibt dennoch so, ein Kind, das plötzlich mit Geschenken überhäuft wird, steht abseits oder erkauft sich mit dem plötzlichen Reichtum Freundschaften.

Wollen wir das?

Immer wieder frage ich um Spenden. Für sinnvolle Dinge. Alle Kinder brauchen ständig Extras für die Schule, wie eben Ausflüge. Wenn ich nun noch zweimal Porto – vom Paten zu uns, von uns nach Kenia – plus Zoll dazu rechne – da könnte man bald locker für ein weiteres Kind die Patenschaft übernehmen oder für das eine Kind ansparen fürs Studium.

Helft mir bitte weiterhin sinnvoll zu arbeiten.

Gabriela Vonwald

 

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