Klein und niedlich?

Diejenigen, die schon seit Jahren mitlesen, wenn ich über mein Kenia und mein Projekt schreibe (und man verzeihe mir das „mein“ dabei, natürlich ist es die Arbeit von vielen), kennen meine Einstellung ja schon, dass die echte große Hilfe eigentlich erst bei Secondary anfängt. Natürlich holen wir die Kleinsten von der Straße, um sie in das einzufädeln, was man allgemein den Bildungsweg nennt. Und ich hoffe, dass man das bei zukünftigen Klassen merkt, dass wir hier nicht wie in der Anfangszeit immer früher etwas verbessern wollen, und sei es nur durch vernünftige Ernährung schon von klein auf.
Diese Kleinen sind niedlich, daher „gehen sie schnell weg“, was brutal klingt, aber ich hoffe, ihr alle wisst, was ich meine und dass es auch vollkommen okay ist, wenn man sich für klein und niedlich entscheidet. Und natürlich hoffe ich immer, wenn jemand ein Kind ab dem 3. oder 4. Lebensjahr begleitet, dass er/sie dann keinen Rückzieher macht, wenn nicht mehr klein und niedlich, sondern pubertierend und teuer.
Seit wir Secondary anbieten, hab ich so viele Schicksale gehört und gesehen, verzweifelte junge Menschen, die mit großartigen Noten die Primary abgeschlossen und dann keine Chance auf eine weiterführende Schule haben. Die Eltern haben einfach das Geld nicht. Immer wieder könnte ich laut schreien bei dieser Verschwendung von Ressourcen. Und leider werden diese größeren Kinder nach der 8. Klasse auch bei den meisten großen Organisationen auf die Straße gesetzt. Weil man dort den Paten nicht kommunizieren kann, warum es plötzlich doppelt so viel kostet oder aus welchem Grund auch immer. Einfach brutal. In beiden Schuljahren haben wir jetzt je zwei Kinder aufgenommen, die von einer anderen Organisation einfach entsorgt wurden (ich möchte keine Namen nennen, die haben alle gute Anwälte, wer mich kennt, weiß, wen ich da als wohl schlimmste ihrer Zunft meine). Und da denke ich mir manchmal, besser man hätte sie gar nicht erst lernen lassen, denn jetzt hat man zornige und verzweifelte junge Menschen, die lesen und schreiben können und an Bildung schnuppern durften, nur um jetzt eine versperrte Tür vorzufinden.
Und daher liegen mir unsere Großen so am Herzen. Sie haben nur uns. Viele kleine Organisationen oder auch Privatpersonen helfen im Bereich Nursery oder etwas älter, steigen aber dann aus, wenn es teuer wird.
Würde ich heute nochmals beginnen oder sollte ich jemals zu echtem Reichtum kommen, ich würde weitere Secondarys bauen.
Und noch etwas, wo ich ziemlich allein gegen die allgemeine Meinung vieler Organisationen stehe, die groß verkünden, man solle möglichst nur Mädchen fördern. Weil sie benachteiligt sind, oft unter Gewalt leiden, früh verheiratet werden usw. Alles richtig. Aber – was ich hier in Kenia beobachten kann ist: Gut ausgebildete Männer, die einen vernünftigen Beruf erlernt haben und ihre Familie ernähren können, behandeln ihre Frauen gut, lassen sie was lernen oder auch einen Job ausüben, sorgen dafür, dass es nicht mehr als eine überschaubare Menge an Kindern gibt, und alle sind zufrieden. Eben auch die Frauen.
Es sind die aus dem System gefallenen unzufriedenen jungen Männer, kein Beruf, kein Schulabschluss, die herumlungern, sich dem Alkohol zuwenden, ihre Frauen misshandeln, viele Kinder zeugen, damit sie wenigstens in irgendwas vorn dabei sind, und wo dann die ganze Familie und vor allem die Kinder zu leiden haben.
Daher auch (und weil Mädchen in dem Alter leider etwas schwieriger zu betreuen sind – ich weiß, wovon ich rede, ich bin Mutter zweier Töchter;-)) bauen wir jetzt zuerst mal Schlafsäle für die großen Buben, damit sie den oft weiten Weg nicht gehen müssen, sich aufs Lernen konzentrieren können, damit aus ihnen was wird. Und das heißt nicht, dass wir die Mädchen nicht fördern. Aber wir sorgen eben auch für die Buben, auf denen oft ein unglaublicher Druck liegt.
Irgendwie ist es nämlich hier wie im Tierreich – Mädchen dürfen auch im Erwachsenenalter bleiben und in der Hütte der Mutter wohnen, ja sogar im gleichen Bett schlafen. Buben müssen oft schon im Alter von 14 Jahren ausziehen. Ich hab ganz oft gesehen, dass sie im Ziegenstall schlafen mussten oder unter einem Baum im Freien.
Bitte helft uns daher vor allem mit den Großen, auch wenn es teurer ist. Vielleicht eben, indem sich zwei Paten ein Kind teilen. Danke.
0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert