So wird Hunger gemacht

Maismehl – unga – das Grundnahrungsmittel aller Menschen in Kenia. Für die etwas Reicheren die ideale Beilage wie bei uns Kartoffeln oder Reis, für die Armen immer Hauptgericht mit irgendeinem Gemüse, für die ganz Armen das einzige Gericht. Mehl wird aufgekocht mit Wasser und solange eingedickt, bis eben das entsteht, was man hier gut gewürzt als Polenta kennt. In Kenia heißt es ugali. Nur gut gewürzt ist es meistens nicht, selbst Salz können sich arme Menschen hier nicht leisten. Also nur Maismehl und Wasser. Über den gesundheitlichen Wert dieser einseitigen Ernährung kann man natürlich streiten, aber es füllt den Magen, nimmt den nagenden Hunger, ist – meistens jedenfalls – irgendwie erschwinglich. Und mit Zucker und Fett gut aufgekocht ist es als süßer Brei auch bei uns in der Schule als Porridge a la Kenia das Frühstück.
Man kann sich also vorstellen, was passiert, wenn dieses so wichtige und oft einzige Lebensmittel nicht mehr erhältlich ist, und sei es nur einen Tag. Kaum jemand ist in der Lage, sich ein paar Kilo auf Vorrat zu kaufen in einer Gesellschaft, in der einfache Arbeiter, falls sie denn überhaupt einen Job haben, als Tagelöhner bezahlt werden. Und selbst wenn es nicht so wäre – einfach mal vorstellen, was bei uns los wäre, wenn es ab morgen kein Brot mehr gibt. Also gar keines, auch wenn man es für das Doppelte des ursprünglichen Preises erwerben wollen würde. Das Mehl ist da, der Bäcker auch, aber aus unerfindlichen Gründen gibt’s eben kein Brot. Der Unterschied zu Kenia aber – wir haben Alternativen. Wir würden uns ärgern, Untersuchungskommissionen einrichten, aber wir würden nicht Hunger leiden.
Irgendwie würde man eine Verknappung ja noch einsehen, wenn dies irgendwas mit dem Gesetz der Natur zu tun hätte. Lange Dürre, kein Wasser, kein Saatgut. Nur, so ist es hier nicht. Und der Grund für diese unglaubliche Situation ist so mies, dass man gar nicht so viel essen kann, wie man kotzen möchte. Und wo sich große Hilfsorganisationen auch nicht gerade mit Ruhm bekleckern.
Es gibt Geschäftsleute, die meisten sitzen in Nairobi (und nein, ich rede da noch nicht über die Unmenschen, die an der Börse mit Lebensmitteln weltweit spekulieren und die in meinen Augen in der Hölle schmoren sollten), und diese klugen Köpfe kaufen zu Zeiten, wo es genug Mais gibt und er billig ist, viel davon ein, sehr viel. Und zwar den in ganzen Körnern, denn der lässt sich gut lagern und ist noch ein Stück billiger als das gemahlene Mehl. Es gibt in Nairobi riesige Lagerhallen, die nur einem Inder allein gehören. Und dann warten sie einfach ab.
Der Markt ist also zunehmend leer gefischt, die Preise steigen. Erst langsam, dann immer schneller. Und wenn dann noch Wahlen ins Haus stehen, mischen auch ein paar geldgierige korrupte Politiker mit, die dann im Wahlkampf versprechen können, dass, wenn man sie nur wählt, sie der Inflation sofort ein Ende machen werden und es dann wieder genug Mais gibt. Ja, den wird es geben, auch ohne dass man diese Herren wählt, einfach aus dem Grund, weil die ganze Sache irgendwann ausgereizt ist und der Markt wieder liefert.
Vorher machen die cleveren Geschäftsleute in Nairobi aber noch das ganz große Geschäft. Und zwar pikanterweise mit den vielen NGOs und Organisationen, die sich vor allem in Nairobi als Zentrale Ostafrikas die Klinke in die Hand geben. Diese Hilfsorganisationen zahlen nämlich jeden Preis, böse Zungen hier sagen offen, Hauptsache, auf dem Sack mit Mehl würde groß der Name stehen, damit man den auch im Fernsehen erkennen kann.
Und das bewirkt dann zweierlei – zuerst wird der Markt leer gekauft, die Preise steigen ins Unermessliche, Arme können sich das nicht mehr leisten, also müssen Hilfsorganisationen einspringen und sie retten. Die haben das Geld, weil es von Spenden aus Europa kommt. Ohne diesen ganzen Wahnsinn hätten sich die Menschen das locker selbst kaufen können, hätten ihre Würde behalten, es würde sich aber in den Bilanzen der diversen Hilfsclubs nicht so gut verkaufen lassen.
Und jetzt zu meiner ganz persönlichen Lösung und ich sagte es ja schon, wenn ich so richtig zornig bin, kommen mir immer gute Ideen:
Sobald ich die ärgsten Baustellen hier erledigt habe, bei viel Hilfe denke ich, so in der zweiten Jahreshälfte, werden wir ein Lager bauen. Gut gelüftet, verfliest, versperrt. Und werden Mais einlagern, wenn er billig ist. Und wenn der Wahnsinn wieder anfängt, werden wir diesen Mais ausgeben an unsere Familien zum Eigenbedarf und zu dem Preis, um den wir ihn Monate vorher selbst eingekauft haben. Außerdem lasse ich gerade diverse Maschinen kalkulieren, mit denen wir selbst mahlen können, denn die Differenz zwischen gemahlen und ganzen Körnern ist gewaltig.
Nur ein Tropfen. Stimmt. Aber irgendwo muss man anfangen, eingefahrene blödsinnige Strukturen zu durchbrechen. Ich hoffe auf Unterstützung.
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