Wir haben ja jetzt nur noch drei Klassen Highschool im alten Schulgesetz, alle anderen sind bereits im neuen Schulplan verankert und werden da natürlich auch „überprüft“. Aber anders als im alten Lehrplan kann man nicht mehr durchfallen, es geht nicht mehr darum, jungen Menschen Wege zu verbauen, sondern Türen zu öffnen. Ich habs schon oft gesagt und geschrieben – alles steht unter dem Titel „Talenteschmiede“.

Viele denken da vielleicht nur daran, haben wir tolle Sportler oder Sänger oder Tänzer bei uns. Natürlich soll auch das gefördert werden. Das Größere darüber heißt aber – wo liegen deine Begabungen. Und das durchaus auch akademisch gemeint. Du interessierst dich für Naturwissenschaften? Großartig. Dann werden wir dich in Biologie oder Chemie fördern. Deins sind eher Sprachen? Kein Thema, dann suchen wir eine Schule, die sich darauf spezialisiert hat.

Daher geht es auch bei den Prüfungen ab Mitte Oktober (gemeint sind nicht die normalen Schularbeiten, die es natürlich auch weiterhin gibt) eben nicht um gute Noten, es geht um – worin bist du gut. Und das ist durchaus auch oder sehr viel eine Herausforderung für unsere Lehrer, die nämlich genau das erkennen müssen. Und zwar in der Grundschule und Unterstufe, denn hier werden die Weichen gestellt für Highschool. Was übrigens auch die Stellung der Grundschullehrer deutlich aufwertet.

Solche Prüfungen gibt es nun in Klasse 3 (dies ist auch die Klasse, wo jedes Kind eine Registrierungsnummer ins kenianische nationale System bekommt und diese Nummer bleibt bis zum Schulschluss, spätestens dann braucht es auch endlich eine Geburtsurkunde), in Klasse 6 und in Klasse 9.

In Klasse 3 und 6 wird getestet, ob die Kinder lesen und schreiben beherrschen, das Zahlensystem, aber auch – wie gut können sie kommunizieren, wie ist ihr Sozialverhalten, können sie kritisch denken (ja, schon in den unteren Klassen gibt es Diskussionsthemen). Und auch hier gibt es Jahresprojekte, beispielsweise in Hauswirtschaft oder Basteln, Umgang mit Abfall oder Plastik, Landwirtschaft. Landwirtschaft wird überhaupt ganz groß geschrieben.

In Klasse 9 nun, die letzte Klasse der so genannten Junior High, erfolgt dann die echte Weichenstellung. Danach besuchen die Kinder entweder weiterführende Hochschulen, und zwar genau solche, die das anbieten, wo die Interessen liegen, oder aber man erlernt einen Handwerksberuf, solche Schulen heißen hier TVET (es gibt kein duales System eines Lehrberufes).

Schulen mussten sich entscheiden, wohin wollen wir uns orientieren, was wollen wir anbieten, wobei STEM verpflichtend ist.

Bei uns wird dies eben STEM sein und Sport/Performing Arts. STEM heißt Science, Technics, Engeneering und Mathe.

Science und Mathe ist klar, Technics heißt IT und Engeneering bedeutet, Grundlagen Handwerk, also durchaus Tischlern, Werken, Handarbeiten, Nähen, Kochen usw.

Unsere Schule wird keine Humanities and Social anbieten, dazu gehören Sprachen, Geographie, Geschichte. Nicht weil wir es nicht schätzen, sondern weil einfach keine Schule mehr alles schafft, denn die Anforderungen sind riesig geworden.

Für unsere Kinder bedeutet dies nach Klasse 9, also am Ende des Jahres, zwei Entscheidungen zu treffen, wobei wir hier natürlich helfen und bereits seit vielen Wochen dazu Orientierungen anbieten.

  1. Möchte ich später mal studieren, möchte ich also den akademischen Weg gehen und weitermachen mit Highschool, oder will ich gleich einen Beruf erlernen?
  2. Wenn akademisch, bleibe ich in der Vonwald-Schule oder wechsele ich in eine mit Sprachen als Schwerpunkt? In diesem Fall suchen wir unter den umliegenden sehr guten Schulen aus und sponsern dort natürlich weiter.

Und natürlich kann es dann auch sein, dass uns viele verlassen und wir die Klassen mit jungen Menschen füllen, die genau das suchen, was wir bieten. So ist die Regel, also dann zu sagen, wir schicken unsere Kids woanders hin und schließen dann die Tür, das wäre ziemlich unsozial.

Was während der gesamten Junior High, also die Klassen 7, 8 und 9, ebenfalls einen hohen Stellenwert hat, sind so genannte Projekte. Mit Mai beginnend bekommen die Kinder Projektarbeiten, die nur als Team gelöst werden können und sollen und wo auch das gesamte Team beurteilt wird. Solch ein Projekt dauert drei Monate, also das gesamte zweite Trimester, es gibt klare Kriterien für die Lehrer, wie das einzuschätzen ist, und alles muss bis 31. August in ein zentrales Register eingetragen sein. Diese Projekte machen später 20% der Gesamtbeurteilung aus. Es sind immer sehr praktische Dinge, die alle mit Umweltschutz, Handwerk, Landwirtschaft zu tun haben.

Auch bei der Matura gibt es, wenn man das als Schule so wählt und wir haben das ja schon vor Jahren gemacht (daher müssen wir verpflichtend mindestens zwei Tierarten halten), immer ein Landwirtschaftsprojekt. Mal muss man Hirse anbauen und dann alles, wirklich alles rund um Hirse erforschen und wissen. Mal Ziegen- oder Hühnerhaltung, Maisanbau oder Kasava. Das können wir nicht aussuchen, sondern es wird uns vom Unterrichtsministerium am Beginn des letzten Schuljahres vorgegeben. Dieses Jahr ging es um die Kreuzung von zwei unterschiedlichen Mangoarten.

Als Schulerhalter bereitet mir all das manchmal Kopfschmerzen, weil wir wirklich viel investieren müssen, allein an Materialien. Aber ich finde das alles so unglaublich spannend, die Kinder haben so viel Freude dabei, lernen viel fürs Leben, sind so kreativ und erarbeiten schon früh gemeinsam Dinge. Es ist wirklich ein sehr toller Lehrplan und ich bin mega gespannt, wie sich unsere Kinder am Ende dieses Jahres entscheiden werden, wer geht wohin, wer bleibt, wer kommt neu dazu.

Allzu oft sieht man ja nur anhand von neuen Gebäuden, neuen Schulen, Wassertanks oder Landwirtschaft, vermittelten Patenschaften , Betten, Hütten oder das Sich-Kümmern um die Community, wie aktiv wir sind. Manche Dinge aber sind ebenfalls wichtig, und die sieht man nicht, zumindest nicht gleich. Netzwerken gehört dazu und dass tun wir nicht einfach nur, damit wir bekannter werden, sondern auch direkt im Zusammenhang mit unseren jungen Menschen.

Ich habe ja immer gesagt, für mich ist Erfolg nicht einfach nur, ein Kind konnte zur Schule gehen und einen Abschluss machen. Ja nicht nur ein Uniabschluss oder ein erlernter Handwerksberuf sind mir genug. Für mich ist es erst dann richtig gut, wenn unsere jungen Menschen einen Job haben, angestellt oder selbständig, wenn sie sich erhalten können, sich ein leben aufbauen können.

Und das ist in Kenia sehr schwer.

Man sollte glauben – gut ausgebildet, da reißen sich die Firmen um einen. Leider weit gefehlt. Zum einen gibt es gar nicht so viele Firmen, zum anderen wollen alle natürlich zuerst mal ein unbezahltes oder nur wenig bezahltes Praktikum. Ohne Praktikum hat man am Arbeitsmarkt kaum eine Chance. Diese Praktika nach dem Abschluss heißen „internship“ und sind heiß begehrt, denn ganz oft behalten einen die Firmen danach, was ja auch logisch ist, und wenn nicht, kann man bei einem Vorstellungsgespräch sagen, ja, ich hab das dort gemacht, ich hab praktische Erfahrung gesammelt.

Auf wenige Praktikumsplätze kommen also viele junge Menschen. Und was die Angelegenheit noch erschwert ist, dass unsere fertigen Studenten einfach zu unbeweglich sind, zu schüchtern, zu – was soll ich denn jetzt machen. Und Eltern, die dahinter sind, die einen Beruf haben, die selbst studiert haben, die gibt es zumindest in dem Bereich, in dem wir arbeiten, auch nicht.

Derzeit haben wir daher Schwerpunkt – für alle jungen Leute, die ihr Studium abgeschlossen haben, entweder Praktikumsplätze zu vermitteln (durch unsere inzwischen unglaublich vielfältigen Kontakte), bei denen, die sich in einem Handwerksberuf selbständig machen wollen, die Grundausstattung an Werkzeug bereit zu stellen, und bei manchen anderen einfach einen Job zu suchen.

5 junge Menschen wurden von uns gleich absorbiert, eine sechste kommt im September dazu. Lehrer/innen, Sozialarbeiterinnen. Für einige hat es mit den Praktikumsplätzen schon geklappt. In staatlicher Verwaltung, in unserer Hausbank, in unserem Partnerspital.

Das alles kostet aber nicht nur Zeit und Energie und Leidenschaft, es kostet auch Geld. Transport, eventuell eine vorübergehende Miete, Werkzeug usw.

Daher ist dieser heutige Blog auch ein Aufruf – wir bitten im Namen gut ausgebildeter junger Menschen um Spenden mit dem Betreff „Jobstart“. Denn nur dann war unsere langjährige Arbeit nicht umsonst.

Gabriela Vonwald

 

Vor  3 Jahren kam Mr. James, der Vater meiner inzwischen fertig gewordenen persönlich gesponserten Studentin Rabecca zu uns, um uns von einem kleinen Projekt zu erzählen, das er gemeinsam mit ein paar Eltern auf die Beine gestellt hatte. Mr. James ist ein sehr umtriebiger freundlicher Mann, immer bereit, in der Community zu helfen. Und es war ihm gelungen, für eine Handvoll Eltern mit behinderten Kindern in der öffentlichen Fumbini Schule einen Raum kostenfrei zu erhalten plus vom Staat eine Lehrkraft. Ob ich es mir mal ansehen wolle. Es sei alles noch privat organisiert, die Eltern selbst bringen ein wenig Essen und Schulmaterial, aber es sei eben für diese Kinder die einzige Möglichkeit.

Und ja, ich war schwer beeindruckt. Damals gab es 6 Kinder, alle schwer behindert, eine wundervolle Lehrerin und natürlich, es fehlte überall. Man saß auf dem nackten Steinboden, keine Möbel, das Mittagessen war nicht gesichert, aber ich sah nur strahlende Gesichter.

Es gab eine erste Spende, Materialien, die angeschafft wurden, eine bunte Plastikunterlage, einen Teppich aus Sisal und seither übernehmen wir den Mittagstisch, so dass alle Kinder einmal am Tag während der Schulzeit ein warmes Essen erhalten.

Was aber noch wichtiger war, wir haben all unsere Erfahrung und unser Netzwerk benutzt, um eine offizielle Registrierung im Rahmen der normalen Fumbini-Schule zu erhalten. Nur dann gibt es nämlich auch Förderungen.

Dieses Jahr im Juni war ich wieder zu Besuch. Und kam aus dem Staunen nicht heraus. Freudestrahlend wurde mir erklärt – Registrierung ist durch, man hat drei Klassenräume bewilligt, zwei zusätzliche Lehrkräfte, die Gruppe war jetzt schon auf rund 15 angewachsen. Und alle saßen gerade friedlich beisammen und bastelten und erstellten aus Perlen kleine Kunstwerke. Die dann verkauft werden und davon wird neues Bastelmaterial angeschafft.

Manche der Kinder haben Paten, manche schaffen wahrscheinlich sogar eine Art Hauptschulabschluss. Eins der Kinder das mir besonders ans Herz gewachsen war, hat es leider nicht geschafft und den Kampf verloren, aber wir konnten den Eltern die Beerdigung zahlen und die beiden Geschwisterkinder zu uns in die Schule holen. Und alle dürfen regelmäßig zu uns auf die Schulfarm und in der Erde graben, pflanzen, bewässern und sich wertgeschätzt fühlen.

Auch hier geht es einfach darum, ihr seid nicht vergessen.

In Erinnerung an unseren kleinen Kämpfer Samuel

 

Ich sage ja immer wieder – bei uns kann man sich auch für ein Projekt im Projekt engagieren. Die Fumbini Special Unit hat gezeigt, dass sie kämpfen kann und es sich auszahlt.

Gabriela Vonwald

 

 

Stellt euch mal vor, ihr seid Taxifahrer. Und werdet gerufen, um einen Mann von seinem Haus zu einer anderen Wohnung zu bringen. Der Mann ist krank, hat Fieber, aber ihr seid ja kein Arzt und denkt euch nichts dabei. Der Mann steigt aus, eine Stunde später ist er tot und die Familie sagt, ihr habt ihn umgebracht.

So geschehen hier in Kenia 2016. Der Vater von 5 Kindern war Motorrad-Taxler. Langes hin und her, „Untersuchungen“, kein Geld für einen Anwalt. Jedenfalls 2020 dann das Urteil, 45 Jahre Gefängnis. Keine forensische Untersuchung, woran der Mann überhaupt gestorben ist, es gab keinerlei Gewalteinwirkung. Er hatte Fieber und unser Papa hat einfach den „Fehler“ gemacht, ihn zu transportieren.

2021 geht auch die Mutter, weit weg ins Hinterland, nie wieder auch nur ein Anruf, neu verheiratet, zwei neue Kinder, kein Interesse an den vorhandenen. Zu diesem Zeitpunkt war die älteste 13, die jüngst knapp 4 Jahre alt. Anfangs gab es noch eine Großmutter, die aber ebenfalls vor einem Jahr verstorben ist. Ein Onkel, selbst kaum erwachsen, kümmert sich als Vormund, Mercy, die Große, ersetzt die Mama, obwohl ihr die selbst so sehr fehlt.

Bevor die Oma gestorben ist, ist es ihr noch gelungen, ins Büro des MP (Member of Parliament), Mr. Owen Baya vorzudringen, der sehr berührt war und Hilfe versprochen hat. Anruf bei seinem guten Freund, dem Obmann der Schule der Kinder, bitte versuche was. Und dann landete alles im Februar auf meinem Schreibtisch.

Wir haben damals gesammelt, alle 5 Kinder gut in der Schule abgesichert, also Schulgebühren, zwei Betten gekauft, jeden zweiten Monat gibt es ein Essenspaket.

Und heute hab ich sie besucht. Und war so sehr berührt.

Wir haben Fotos gemacht, die ich dem Vater ins Gefängnis schicken werde, dazu ein kleines Video von der Tochter an ihren Papa. Unser Anwalt der Organisation wird alles prüfen und als ersten Schritt mal versuchen, eine Verlegung durchzusetzen von Voi nach Kilifi, damit die Kinder überhaupt eine Chance haben, ihren Vater mal zu besuchen. Und der MP hat versprochen, den Fall dem Präsidenten vorzulegen, der immer im Dezember Amnestien vergibt.

Inzwischen kümmern wir uns um die Kinder. Es gab mal Geld für warme Kleidung, Decken, und jetzt suche ich Paten für alle.

Und ich werde nicht aufgeben, bis der Papa wieder bei seinen Kindern ist.

 

 

 

 

Wir sind offiziell ein Sponsor der Pwani-Universität, wer hätte das jemals gedacht. Und das kam so.

Die Kilifi Vonwald School hat über 30 Mikroskope, die im Labor unseren Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen. Alles andere als eine Selbstverständlichkeit, denn viele Schulen haben überhaupt keines – und die Universität hatte bisher 3, wovon eines kaputt war. Von einem Teleskop konnte die Uni überhaupt nur träumen. Nun sitzen wir an der Vonwald Schule aber ja nicht auf einer einsamen Insel – möglichst viele junge Menschen sollen von unserer Arbeit profitieren.

Deshalb schließen wir (also die von Gabriela Vonwald gegründete kenianische NGO Gapeka) mehr und mehr sogenannte „MOUs“ – Memorandum of Understanding – ab. Man könnte es wohl als „Freundschaftsvertrag“ übersetzen, auf dessen Basis eine enge Zusammenarbeit möglich ist. Dies öffnet uns und unseren Schützlingen Türen, gibt Ausbildungsmöglichkeiten, Praktikums- und später Arbeitsplätze. Gapeka ist hier mittlerweile Teil eines riesigen, sehr dichten Netzwerks, dessen Wert gar nicht hoch genug anzusetzen ist – weil immer jemand jemanden kennt…

Und daher haben wir heute in einer feierlichen Zeremonie unser Profi-Teleskop und fünf Mikroskope an die Pwani University übergeben.

Ich (Sarah Eidler) war dabei und muss als Gast sagen, das war schon wirklich sehr nett. Zuerst ins Büro des Vice Chancellors – das ist praktisch der oberste Boss der Uni – , anschließend dann die Übergabe des Teleskops sowie der Mikroskope in einer kleinen Zeremonie. Natürlich muss das alles hochoffiziell sein mit den verschiedenen Abteilungen und deren Leitern. Ich kann mir vorstellen, dass im Vorfeld schon große Aufregung geherrscht hat – wer darf dabei sein? „Hochoffiziell“ bedeutet schonmal, dass pünktlich angefangen wird und dass sich jeder der Anwesenden kurz vorstellt, also welcher Studienrichtung er angehört und warum er heute da ist. Auch immer wichtig: In welcher Reihenfolge darf gesprochen werden, also wer ist zuerst dran, weil höhergestellt. Andererseits geht’s dann aber total herzlich zu – Gabi ist ja durch den Ehrendoktortitel sowieso „eine von ihnen“ – und wenn’s Torte gibt, dann füttert man sich sogar an der Uni noch gegenseitig damit, ein Ritual, das schon die Kleinsten beherrschen.

Total geplättet ist auch Mr. Jonathan, unser CEO, der überhaupt noch nicht glauben kann, dass GAPEKA jetzt ein „Sponsor“ der Universität ist. Ichbin natürlich ein paar Mal gefragt worden, ob ich zum ersten Mal in Kenia bin, und Prof. Shauri, der recht regelmäßig nach Wien fliegt, war ganz entzückt zu hören, dass ich selbst dort studiert habe. Was schon auch sehr bemerkenswert ist – viele der Professoren betreiben selbst auch Landwirtschaft, der Vice Chancellor züchtet beispielsweise Ziegen. Kann man sich in Österreich auch nicht wirklich vorstellen, oder?

Gabi durfte übrigens auf dem „Präsidenten-Platz“ sitzen. Die ganze Zeremonie fand im Kibaki-Saal statt, benannt nach dem früheren Präsidenten Kibaki. Hier hat der Präsident damals die Urkunde unterschrieben, mit der das bisherige College zur öffentlichen Universität ernannt wurde – sehr geschichtsträchtig und eine große Ehre! Man merkt wirklich die große Dankbarkeit, denn die Konkurrenz zwischen den Unis ist groß und man will natürlich „etwas Besonderes“ bieten. Das kann nicht sein, dass Studenten an die Uni kommen (teilweise auch international) und dort schlechtere Ausrüstung vorfinden als an den Schulen/Unis, an denen sie zuvor gelernt haben. Und immer wieder wird betont, dass unseren Schülern die Türen offen stehen. Einige der Professoren waren dann gleich ganz aufgeregt, ja, ich kenn einen aus der Vonwald-Schule, der ist jetzt im dritten Jahr…

Und trotz allem schmunzeln Gabi und ich auf der Rückfahrt zur Schule: Da haben wir gerade ein Teleskop und Mikroskope an eine Universität gestiftet und wenn man in den Kofferraum des Autos schaut, sind da die Stofftiere für die Familienbesuche zu finden. Wie war das nochmal mit Wurzeln und Flügeln?!

Mag. Sarah Eidler

Wie ich schon ganz oft erwähnt habe, arbeiten wir in Kenia engmaschig mit dem Jugendamt zusammen. Und ich gebe es zu, anfangs war ich skeptisch, empfand es als kleine Schikane, warum müssen wir extra eine Sozialarbeiterin anstellen, die wöchentlich dem Jugendamt Bericht erstatten muss, die aber wir bezahlen dürfen. Warum Kontrollen, wir sind doch die Guten.

Vor allem auch immer wieder die Frage – das Gesetz sagt, jede Hilfsorganisation, egal ob Inland oder vom Ausland, egal ob CBO oder NGO – sobald man mit Kindern arbeitet, also eine Schule betreibt, eine Nursery, egal was, ist es verpflichtend, diesen Link zum Jugendamt zu installieren. Warum ist man bei uns so streng und im Land tummeln sich gefühlt einige tausend Wildwuchs-Nurseries jeder Größe, die das nicht haben. Mir wurde heute wieder in einem Gespräch bestätigt – die sind nur noch nicht erwischt worden.

Schon unsere Sozialarbeiterin Eva hatte mich vor Jahren überzeugt, dass diese Verlinkung etwas Gutes ist. Immer wieder mal bei einer Schwangerschaft, bei Missbrauch in der Familie, bei plötzlichem Verlust von Eltern – das Jugendamt hat uns gut unterstützt.

Heute nun war ich persönlich dort, hatte einen Termin mit dem Leiter dieses Amtes, der jetzt seit einem Jahr für unsere Region Kilifi Nord zuständig ist, und ich muss sagen, ich bin schwer beeindruckt. Volle zwei Stunden sehr gutes Gespräch auf sehr gutem Niveau.

Zuerst wieder das Thema – unser TCC-Haus. Ob er sicher davon ausgehen könne, dass dies praktisch nur ein Boarding für die jüngeren Kinder sei, also keine Unterbringung während der Ferien. Wochenende sei okay, da wir alle diese Kinder bei uns in der Schule hätten, aber nur deshalb. Es wurde ihm einige Institute gemeldet, die sich da wohl nicht dran halten, die werden jetzt alle besucht, untersucht, haben die sich überhaupt beim Jugendamt registriert usw. Hab ich ihm versichern können.

Aber dann. Was mich sehr beeindruckt hat, was mich zum Nachdenken bringt war – glaub nicht alles, was man dir erzählt. Glaub nicht allen Müttern, dass sie alleinerziehend sind. Glaub nicht, dass sie sich keine Hefte leisten können. Viele Familien sind durch deine Hilfe heute in einer Situation, wo sie etwas beisteuern können. Aber das musst du verlangen.

Als er meinen entsetzen Blick gesehen hat, meinte er aber gleich – nicht du. Für dich ist das schwierig. Ihr glaubt immer gleich, wenn ihr durchgreift und sortiert, würde man euch des Rassismus beschuldigen oder der Herrenmenschenmentalität. Lass uns das machen. Lass dir helfen.

Er hat mir berichtet, dass die Vorgabe der Regierung ist – Eltern mehr in die Verantwortung nehmen. O-Ton: „Ich bin selbst Kenianer. Wir sind so – gib uns etwas, wir nehmen. Egal ob wir es brauchen oder nicht.“ Was die Regierung also noch mehr verlangt, ist – Hilfe zur Selbsthilfe. Aber eben – nimm ihnen nicht alles ab. Ihre Kinder, ihre Verantwortung.

Also eigentlich das, was ich schon ständig versuche, was aber nicht ganz gelingt, weil ich einfach nicht die sein KANN, die ihnen streng kommt. Er meinte auch, er habe ja, weil das Pflicht ist, von Eva zu jedem Kind einen genauen Bericht bekommen. Er stellt uns jetzt 20 – in Worten zwanzig – Sozialarbeiterinnen zur Verfügung, diese Berichte alle durchzugehen. Auch wieder O-Ton:

„Viele Mütter geben an, Vater verschwunden, verstorben, unbekannt. Ich verspreche dir, 60% dieser Väter treibe ich auf.“

Und – die wollen Verantwortung übernehmen, vielfach wird ihnen aber der Zugang zum Kind komplett verwehrt. Von den Müttern. Die sich dann danach auch nicht mehr kümmern.

Er hat mir sogar erzählt, dass er Eltern in Beugehaft nimmt, wenn sie sich nicht gut um ihre Kinder kümmern. Er meint, das würde immer helfen. Immer. Wenn wir Eltern nicht in die Verantwortung nehmen, sei es leicht, zehn Kinder in die Welt zu setzen. Das müssten wir gemeinsam ändern. Zum Beispiel dadurch, dass wir Eltern, die einen Job haben, die das leisten können, ein kleines Schulgeld zahlen lassen, das Mittagessen zahlen lassen, die Krankenversicherung zahlen lassen. Und wenn es wirklich Extreme geben würde, sollen wir es sagen, sein Amt habe immer die Möglichkeit, mit einem Essenspaket einzuspringen.

Ich bin sehr geflasht und hab das Gefühl – ja, das ist der Weg. Lassen wir uns helfen. Wir haben gleich mal 180 Packungen Damenbinden mitbekommen und wie gesagt das gute Gefühl, man nimmt uns ernst, schätzt, was wir tun (er meinte, ohne uns würden von den 1200 Kindern und jungen Menschen, die wir gerade im Projekt haben, 1000 auf seinem Schreibtisch landen), wir sollen aber den Eltern die Verantwortung nicht abnehmen.

Ich bin nun sehr gespannt, was er und Eva da basteln werden. Zwei Dinge haben wir gleich beschlossen. Am  24. Juni haben wir alle Eltern zu einem Meeting eingeladen, wie immer, wenn ich da bin. Da wird er dabei sein und sein Wort an die Eltern richten. Mit der Autorität seines Amtes. Und wenn wir im November die neuen PP1 einschreiben, wird jemand vom Jugendamt dabei sein und alle Aussagen der Eltern sofort überprüfen. Alles frei gibt es dann nur noch für die, die es wirklich brauchen. Für alle anderen gibt es ein reduziertes Schulgeld oder eine Gebühr fürs Mittagessen.

Ich fühle das Gewicht auf meinen Schultern ein bisschen weniger.

 

 

 

 

Unser Haus für alle Kinder, die zu klein sind für Boarding, die aber dennoch aus irgendwelchen Gründen nicht so gut in ihren Familien aufgehoben sind, war eine der wichtigsten Errungenschaften der letzten Jahre. Wie oft sind mir bei Familienbesuchen Kinder aufgefallen, die irgendwie nur geduldet wurden von Verwandten, die zuhause keine echte Betreuung oder Liebe erfahren haben. Und nicht immer, weil da irgendwelche bösen Stiefmütter am Werk sind, oft, weil Mütter überfordert sind mit dem Alltag als alleinerziehend, manchmal, weil die Kinder bei Omas, Tanten oder Nachbarn leben, denn die Eltern sind während des Schuljahres irgendwo auf Arbeitssuche. Es gibt bei uns eine angestellte Mama, liebevoll, mit ausreichend Schulbildung, damit man auch bei den Hausaufgaben helfen kann, Bubenschlafraum, Mädchenschlafraum, Aufenthaltsraum, Küche, Toiletten und Duschen und vor dem Haus ein Spielplatz.

Das alles ist aber kein Waisenhaus, es ist, wie der Name schon sagt – temporary, also zeitlich begrenzt.

Und hier ist der Staat sehr, sehr streng, wie wir selbst gerade erst in den letzten Ferien erfahren mussten.

Erlaubt ist eine Unterbringung während der Schulzeit, sofern es sich um eine registrierte Organisation handelt und es einen Link zum Jugendamt gibt. Wir sind in Kenia eine registrierte Organisation und der Link zum Jugendamt ist natürlich da. Unsere Eva ist ausgebildete Sozialpädagogin mit Zusatzausbildung und wurde vom Jugendamt genehmigt. Jeder, der in Kenia mit Kindern irgendwas tut, muss solch eine Person einstellen. Wie immer, man schaut da lange zu, irgendwann gibt es neidische Nachbarn, man wird angezeigt, zahlt sich wirklich nicht aus.

Eigentlich hatten wir gehofft, dass es niemandem auffällt, wenn wir die Kinder auch während der Ferien bei uns behalten, sofern Kinder und Eltern das wollen. Aber – keine Chance, absolut verboten. Wir haben es mit allem versucht. Dass wir Nachhilfe anbieten, dass es eine Art Ferienlager ist, dass wir da Performing Arts und Sport und was weiß ich noch alles tun. Die Antwort – Nein.

Wir dürfen Kinder außerhalb der Schulzeit nicht beherbergen.

An den Wochenenden ja, aber auch nur, weil wir eine Schule selbst betreiben. In den Ferien, absolutes Nein.

Kenia hat ja vor einiger Zeit fast alle Waisenhäuser abgeschafft. Das Ganze läuft unter dem Slogan „changing the way we care“. Es gibt ein paar Zentren, die sich Rescue Center nennen, solch eines von unserem Freund William unterstützen wir monatlich.  Ansonsten geht der Weg jetzt – Kinder haben eine Familie und diese Familie hat Pflichten. Und es soll nicht passieren, dass Kinder ihren Eltern oder der Familie entfremdet werden. So eben die Theorie. Tagesmütter gibt es in dieser Form übrigens in Kenia auch nicht, also nicht einmal über diesen Umweg und dann eben mal mit einer Übernachtung, könnten und dürften wir arbeiten.

Und hier gibt es nicht nur Verwarnungen und Geldstrafen, es würde uns Gefängnis drohen.

Und ja, wir könnten ansuchen solch ein Rescue Center zu werden. Nur, die Auflagen sind so gewaltig und schwierig, und wir dürften da nur Kinder annehmen, die gesetzlich aus einer Familie genommen wurden und dies nur bis maximal 6 Monate.

Und das ist nicht das, was wir wollen.

Daher – TCC ist sehr wichtig, eine richtige Säule unserer Arbeit inzwischen. Wir denken gerade daran, noch ein zweites Haus zu bauen, denn inzwischen leben schon 22 Kinder bei uns, es wird irgendwann eng. Aber eben nur als erweitertes Boarding.

Gestern war es wieder einmal soweit – wir haben in einer kleinen neu adoptierten Schule an 56 Kinder Schuluniformen und Schuhe ausgegeben. Und dabei viele Menschen glücklich gemacht, neudeutsch würde man sagen – wir haben sie geboostert. Die Eltern natürlich, das ist jedem sofort klar. Ein Betrag, den sie jetzt nicht mehr selbst aufbringen müssen.

Aber wenn man sich vorher die nackten Kinderfüße angeschaut hat und dann dicke schwarze Schuhe dran, dann neigt man bei uns ja eher dazu, sich zu denken – die armen Kleinen, warum muss das sein? Ist barfuß nicht besser? Und wenn die schon alle so arm sind, sollte man das Geld nicht eher in Unterrichtsmaterial stecken und sie sollen alle im dreckigen T-Shirt kommen?

Ich erinnere mich an Erzählungen meiner Großeltern, wie es bei uns früher war. Und selbst mein Mann erzählt mir aus seiner Jugend, 6 Kinder, keine Reichtümer.

Schuhe, echte richtige Schuhe, und auch keine vom älteren Bruder oder der älteren Schwester, eigene, neu gekaufte – das war damals der Eintritt in eine neue Welt. Ab jetzt bist du Wer, ab jetzt wirst du ernst genommen.

Und in Kenia bedeutet es – jetzt erst bist du wirklich ein Schulkind. Und du zeigst deiner Umgebung, schau her, meine Eltern haben mir Schuhe und eine Schuluniform gekauft, sie nehmen lernen ernst.

Auch deshalb sehen die Kinder so stolz aus auf allen Fotos.

Und auch noch zum Thema Schuhe:

Ja, in unserer Sozialromantik klingt Barfußgehen unglaublich toll. Zurück zur Natur. In Kenia bedeutet es aber auch oft genug – Scherben oder anderes eingetreten, eine Wunde, durch die Ungeziefer eindringt, ein Arzt wird erst aufgesucht, wenn es oft zu spät ist, weil man sich den einfach nicht leisten kann. Und dann haben wir noch das Problem mit den Sandwürmern, Jigger genannt. Ich erspare euch hier die Fotos dazu.

Schuhe sind daher wichtig, sehr sogar. Und Kinderfüße in Kenia wachsen genauso schnell wie die bei uns. Und auch daher bitten wir nach Familienbesuchen immer wieder um Schuhe.

 

In meinem letzten Blog habe ich beschrieben, dass und wie wir immer wieder als große Organisation auch anderen Schulen oder Gemeinden helfen. Weil es erwartet wird, vor allem aber auch, weil es uns ein Bedürfnis ist.

Und natürlich müssen wir dann auch immer wieder mal Hilfe nach einer Weile beenden, denn immer nur mehr und mehr, das schaffen wir nicht, wollen wir auch nicht.

So werden wir, wie beschrieben, die beiden Partnerschulen Hope und Old Ferry behutsam auslaufen lassen, vor allem auch, weil sie gewachsen sind und die Starthilfe eben das war – ein Start. Irgendwann muss es allein gehen. Und andere warten.

Diese Woche haben wir auch nach 5 Jahren Hilfe Rabai auslaufen lassen. Mit einer wunderbaren Aktion – Bücher für drei öffentliche Schulen. Wir haben hier im Laufe der Zeit ein Schulgebäude, zumindest einen großen Teil davon, gebaut für eine Nursery (jetzt übernommen von einer anderen Organisation), wir haben Erste Hilfe geleistet mit Essenspaketen, wir haben ein paar hundert Kindern den Schulstart ermöglicht, wir haben Betten und Matratzen gespendet, Kleidung und Spielsachen, wir haben Mikrokredite vergeben , viele Eltern in Landwirtschaft ausgebildet und Menschen in die Selbständigkeit geholfen.

Und nun gehen wir den Schritt zurück. Ihr schafft das jetzt selbst beziehungsweise sind andere da, an die ihr euch wenden könnt. Und das werden sie sicher tun.

Und immer wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.

Was ihr hier seht, ist eine winzige Schule zwischen Kilifi Town und ‚Tezo. Ich habe diese Schule im Februar besucht und wir haben schon kleine Hilfe geleistet, ich hab damals spontan versprochen, 150 Euro im Monat mal auf ein Jahr, ich beobachte das. Mit den ersten 150 Euro ist dieser entzückende Spielplatz entstanden, Fotos unten, weil der Schulleiter sagt – die Kinder brauchen vor allem mal ein wenig Freude.

Das Besondere an dieser Schule, es ist das Werk eines unserer Mitarbeiter, David, der auch so großartige Dinge bei uns in der Landwirtschaft zaubert. Er hat da mit seinen Freunden (die Gruppe nennt sich nun „Friends of Gabriela“ – eine große Ehre) schon seit Jahren geholfen. Die Schule steht auf dem Land seiner Familie, sein Vater war Lehrer und diese Tradition soll weitergeführt werden. Derzeit gibt es 67 Kinder, 2 Klassen Vorschule und Klasse 1 und 2. Diese Eigeninitiative ist es, die mich begeistert. Wenn Kenianer etwas für die Gemeinde machen und nicht nur warten, dass Hilfe von irgendwo kommt. Wenn mit ganz viel Kreativität und Herzblut gearbeitet wird. David hat mich nicht angesprochen, hat um nichts gebeten, ich hab das durch Zufall über eine Familie, der wir helfen, heraus gefunden.

Und da das Geld aus Rabai jetzt frei geworden ist, können wir hier helfen. Und wenn ich immer sage – Projekte im Projekt – dann ist genau so etwas gemeint. Ich poste etwas, Menschen fühlen sich angesprochen und schreiben uns – ich würde gern genau hierfür etwas geben, hier helfen, entwickeln, geht das denn? Ja, geht. Und so haben wir Geld bekommen für genau diese Schule. In diesem Fall von unserer lieben Sarah. Und damit werden wir jetzt zaubern. Bücher, Schuluniformen, Hefte, mal ein paar Monate die Gehälter der Lehrer. Und wer mag kann sich einbringen, am besten gleich mit dem Betreff „Davids School“.

Ich denke, dies ist auch ein großes Alleinstellungsmerkmal von Harambee. Man kann bestimmen, mein Geld bitte dafür verwenden. Denn selbstverständlich nehmen wir diese Hilfen für Projekte im Projekt niemals von den normalen Patengeldern weg. Und selbstverständlich beobachten und berichten wir, selbstverständlich läuft es unter dem Dach unserer kenianischen Organisation Gapeka ab, das Geld kommt an und wird kontrolliert. Man muss also nicht unbedingt eine eigene Organisation vor Ort aufbauen, Menschen, die man nicht kennt, Gesetze, die man nicht kennt, um eigenständig dabei zu sein. Nur mal als Idee;-))

Also – Davids Schule. David ist überwältigt und legt Extraschichten ein und er wird der große Held seiner Gemeinde sein, was ich besonders schön finde. Nicht wir sind die Helden, auch das ist Hilfe zur Selbsthilfe.

Hier noch Impressionen vom neuen Spielplatz.

Die Schule heißt natürlich „in echt“ nicht Davids Schule, sondern „Minara School“

 

 

Und wohin fließt eigentlich unsere Hilfe? Welche Projekte?

Zugegeben, da wir nicht nur die eine Schule „haben“ oder unterstützen, ist es manchmal etwas schwierig, den Überblick zu bewahren. Paten interessiert ja meistens nur – mein Kind besucht diese Schule – aber alle anderen, die vielleicht verschiedene Projekte sponsern, interessiert auch, was gibt es denn noch? Harambee ist ja inzwischen weit mehr als „nur“ die Vonwald-Schule.

Ich fange mal mit dem großen Überblick an und dem „Warum“. Warum beschränken wir uns nicht nur darauf, Kinder in einer, vielleicht jetzt in zwei Vonwald-Schulen zu unterrichten? Warum immer wieder der Blick über den Tellerrand?

Die Antwort ist zunächst einmal eine ganz persönliche. Ich selbst bin viele Wochen im Jahr vor Ort. Ich bin sehr gut vernetzt, man legt mir Härtefälle auf den Tisch, ich werde eingeladen, schau dir dies an und jenes, kannst du hier helfen, was tun. Und ja, von weitem, auf der Coach sitzend, kann man dann leicht sagen – du müsstest ja nicht. Wenn aber die Menschen vor dir stehen und du in ihren Augen das Vertrauen siehst, die Hoffnung, dann ist das Nein schwerer als Blei. Und oft sind es schon 100 Euro, die einfach Hoffnung geben und Menschen anspornen, selbst aktiv zu werden. Wir wurden gesehen, nicht vergessen. Das ist wichtig.

Wir wechseln diese Hilfe auch immer mal wieder, denn es geht nicht darum, Menschen jahrzehntelang in Abhängigkeit zu halten. Monatliche regelmäßige Hilfe verspreche ich daher immer nur für ein Jahr, dann sehen wir weiter. So wie für das Rescue Center von Mr. William, wo Kinder, die aus Familien akut herausgenommen werden müssen per Gerichtsbeschluss, ein vorübergehendes Zuhause finden. Oder wie eine Gemeinde im District Rabai, die ausschließlich für das Thema Schulbildung einen monatlichen Betrag bekommt, der dann demokratisch verwaltet und entschieden wird, was damit passiert. Derzeit haben wir das Geld aus 4 Monaten genommen, um drei öffentliche Schulen mit Büchern auszustatten. All das sind Freie Spenden bzw. privates eigenes Geld, man darf sich aber gern gezielt beteiligen oder sogar diese Projekte im Projekt betreuen. Sehr gern. Manche wollen ja gern „was Eigenes“, was immer das oft heißen soll.

Neben dem persönlichen „nicht-wegschauen-können“ geht es aber für uns als inzwischen sehr große Organisation auch darum, umfassender zu helfen als nur hinter geschlossenen Schultoren. Es wird erwartet. Von diversen Autoritäten, und damit meine ich nicht Regierungen, sondern auch Dorfälteste, Familienoberhäupter, Schulen. Wenn wir tatsächlich Teil der Community sein wollen, müssen wir uns kümmern. Oftmals Erste Hilfe leisten. Es wird erwartet, dass wir uns an Beerdigungen beteiligen von Angestellten oder Eltern unserer Kinder, Spitalsrechnungen zahlen oder Operationen, in Dürrezeiten Wasser oder Nahrung spenden. Zum Nein-Sagen sind wir zu groß und zu lange dabei.

Aus diesem Grund gibt es auch nicht nur die beiden Vonwald-Schulen, eine direkt in Kilifi Town, die andere 30 Minuten entfernt in Tezo, sondern wir unterstützen über Patenschaften auch noch die HOPE Schule und die Schule OLD FERRY. Und derzeit mit ungefähr 40 weiteren Kindern ein paar öffentliche Schulen im Umkreis bzw. Spezialeinrichtungen für behinderte Kinder.

Die beiden Schulen HOPE und OLD FERRY sind dabei Modelle, die langsam auslaufen werden. Old Ferry, weil die Schule derzeit schon halbstaatlich ist, die Registrierung voranschreitet und es mehr und mehr Hilfe von der Regierung gibt und geben wird. Hier heißt es einfach, wir nehmen von unten keine neuen Kinder mehr dazu.

HOPE wird ebenfalls auslaufen, wir haben hier jahrelang geholfen, die Schule hat sich sehr gut entwickelt, ich bin aber nicht mehr mit allem so einverstanden, der Besitzer geht mir etwas zu viel in Richtung Business, das war nicht ausgemacht. Da diese Schule tatsächlich unser Nachbar ist, wir mit diesen Kindern auch bereits viel gemeinsam unternommen haben, wechseln in den nächsten zwei Jahren viele zu uns und auch hier nehmen wir keine neuen mehr auf. Beides dient auch dazu, dass sich Schulen oder Institutionen nicht abhängig machen von uns. Du hast den Start bekommen und viele Jahre Unterstützung, jetzt schaff es allein. Und das werden sie, da bin ich sicher. Und vielleicht wird es dann mal in paar Jahre eine ganz andere Schule, die wir beim Aufbau unterstützen, wer weiß.

Und auch innerhalb unseres ursprünglichen Projektes, die Vonwald- Schulen, gibt es noch die Landwirtschaft. Zuerst als kleine Schulfarm angelegt, dann Schulung von Eltern, und jetzt unter dem eigenen Titel SAKI – Sustainable Agriculture Kilifi – auch die 60.000m2 Ackerland in Langobaya. Hier sollen irgendwann mal nicht nur ein großer Teil des Schulessens produziert werden, sondern  Menschen sollen hier auch Arbeit finden in der Landwirtschaft.

Es geht also immer darum – hinschauen, über den eigenen Tellerrand hinaus, helfen, wo Hilfe gebraucht wird, als Booster, als Startschuss, aber auch rechtzeitig wieder loslassen, damit Menschen es aus eigener Kraft schaffen. Und überlegen, was wird in Zukunft wichtig sein, nicht nur in einem Jahr, in fünf Jahren, sondern für die nächste Generation.

Gabriela Vonwald