Heute früh am Morgen kam unser Klavier in der Schule an. Aus Nairobi, die ganze Nacht unterwegs. Gebraucht natürlich, aber ein gutes Markengerät, gewartet und auch gleich mit dem Klavierstimmer angereist.

Und jetzt steht es auf der Bühne unserer neuen Halle und wartet auf die ersten kleinen oder größeren Hände, die ihm Töne entlocken.

Und warum jetzt auch noch ein Klavier?

Zunächst einmal, es ist mein Einstandsgeschenk für die neue Halle und weil alle unsere Kids im ersten Trimester so großartige Leistungen erbracht haben. Und der weitere Grund für mich ist, Musik lernt man nur mehr schlecht als recht auf einem keyboard. Ich möchte ihnen gern eine andere Art von Musik vermitteln, Noten lesen, altmodische Stücke vielleicht auch – Musik berührt das Herz überall gleich. Normalerweise gilt in Kenia Musik nur dann als Musik, wenn laut und über Lautsprecher zu erzeugen.

Mein Francis studiert jeweils in den Ferien in Nairobi in der Kunsthochschule Piano und Komposition. Er wird das managen, alle freuen sich, alle sehen es als was ganz Kostbares an.

O-Ton Francis: „She is giving us the same opportunity like she gave to her own children, like European children have. This is nothing but just pure love.“

Und parallel dazu hab ich mir in Österreich auch eines gekauft – man wächst ja mit den Kindern mit. Ich lerne also auch.

Und sie sind alle völlig fasziniert, dass so ein Klavier hundert Jahre alt „werden kann“. In einem Land, indem man schon Dinge als alt ansieht, die 10 Jahre alt sind, finden das alle erstaunlich. Und haben mir morgens schon vorgerechnet, wieviele kenianische Kinder eine neue Perspektive auf Musik bekommen.

Jetzt also auch Klavier.

Gabriela Vonwald

Immer wieder geht es im Leben ja um Kompromisse. Nichts, wirklich nichts, ist nur schwarz oder weiß (und damit meine ich jetzt nicht die Hautfarbe), es gibt wesentlich mehr Grautöne. Und – viele der Dinge, die für uns in Europa ein Thema sind, muss man sich in einem Dritte Welt Land erst einmal leisten können.

Nun neigen wir Europäer ja gerne dazu, unsere Leitkultur, unsere Ansicht der Dinge, unser Weltbild und unsere Erkenntnisse aller Welt nicht nur mitzuteilen, sondern gern auch vorschreiben zu wollen. Und dazu möchte ich gern einige Beispiel hier aufzeigen, vielleicht regt es ja ein wenig zum Nachdenken an.

Aufhänger für diesen Post war, dass wir für unsere neue Schule für einen Spielplatz sammeln.

So wie hier abgebildet (der steht in der Vonwald-Schule) kostet er 3.800,- Euro. Und natürlich kam recht rasch der Einwand – alles Plastik, ob das so gut ist für die Welt.

Nun ist der Anteil Kenias am weltweiten Plastik wohl – zumindest im Vergleich zu Deutschland oder Österreich – vernachlässigbar. Keine Getränke in Plastik, man holt das Wasser auf dem Kopf von irgendwo. Keine verpackten Nahrungsmittel, fertig und vorgekocht für die Mikrowelle, keine Knabbersachen für Zwischendurch oder gar geschnittenes Obst in einem Plastikschüsselchen. Und über Mikroplastik in Kosmetika müssen sich die meisten kenianischen Frauen auch keine Sorgen machen, genauso wenig wie übermäßig viel Plastik in den Kinderzimmern.

Bei solch einem Spielplatz kommen aber noch andere Dinge dazu. Die hohe Luftfeuchtigkeit, salzhaltig, weil direkt am Meer. Aus Holz vom örtlichen Tischler gebaut müssten wir nicht nur mindestens einmal im Jahr streichen, wir müssten auch immer wieder Teile ersetzen. Durch Holz. Wir hatten das schon. Nun ist aber Kenia kein Land der Wälder oder der Holzindustrie. Entweder man holzt einzelne Bäume ab, oder man importiert, was auch keinen tollen CO2-Abdruck hinterlässt. Dieses spezielle Kunststoffmaterial muss nicht nachgestrichen werden, heizt sich nicht auf, die Kinder können sich nicht verletzen und es hält ewig. Und alles, was ewig hält und nicht der Wegwerfmentalität unterliegt, ist in meinen Augen nachhaltig. Und da darf es dann auch im Einzelfall mal Plastik oder Kunstoff sein. Zumal hier nicht an jeder Ecke ein Spielplatz herum steht, es erfreut also definitiv viele Kinder, sehr viele.Wofür entscheiden wir uns also jetzt? Pest oder Cholera?

Wir hatten eine ähnliche Diskussion schon vor einigen Wochen wegen Eiern, die unsere Kinder einmal pro Woche zum Frühstück bekommen. Eier, ganz schlimm, die armen Hühner. Diese Hühner bringen kleinen Familien das zum Überleben notwendige Geld, um zu essen, sich das Schulgeld leisten zu können. Sie sitzen nicht in Legebatterien, vor allem aber, wir reden von mangelernährten Kindern. Ein Ei enthält so ziemlich alles in bioverfügbarer Form, was so ein Mensch zum Wachsen und Lernen braucht. Wir könnten natürlich auch Nahrungsergänzungen in Plastikdosen einfliegen lassen – Ironie off.

Ich hatte auch schon Diskussionen, wenn ich den Kindern bei Familienbesuchen ein Zuckerl gebe – du bringst Diabetes nach Kenia. Oder die immer wieder mal aufkeimende Diskussion über die Schuluniformen, meiner Meinung nach das beste Beispiel für gelebte Nachhaltigkeit. Maximal zwei im Jahr, zuhause haben die Kids ein bis zwei T-Shirts zur zerrissenen Hose. Das wars. Und kritisiert wird es von Shopaholics mit überquellendem Kleiderschrank.

Und ein ganz großes Thema – zu viele Kinder. Ein wenig erinnert es mich an die deutsche Atompolitik. Bei uns nicht, wir importieren es dann aus dem Ausland.

Wir hier dürfen Kinder bekommen, die da nicht, dafür sind wir aber ganz geil auf Fachkräfte aus dem Ausland. Übrigens ist erwiesen, dass auch bei uns eher bildungsferne, finanziell schlechter gestellte Familien mehr Kinder bekommen, nur dass sie hier von der Allgemeinheit mitfinanziert werden über Kinderbeihilfe, Gratisschulen, Elterngeld usw. Und wenn ich dann bei solchen Diskussionen einwerfe – auch bei uns gab es noch zwei Generationen zurück 6 bis 8 Kinder pro Familie und wenn du wüsstest, deine einzige Chance im Alter nicht zu verhungern wären deine Kinder, und zwar die, die die hohe Säuglingssterblichkeit überlebt haben, hätten wir dann bei uns die 2-Kind-Familie? Dass sich was ändern m uss, keine Frage, irgendwann purzeln wir von dieser Erde alle herunter. Aber haben ausgerechnet wir hier das Recht, einer kenianischen Frau vorzuschreiben, jetzt reicht es? Man muss es sich leisten können, wenige Kinder zu haben, diese gut auszubilden und im Alter nicht von ihnen abhängig zu sein. Stichwort wie immer – Bildung, Aufbau eines sozialen Netzes.

Wir sind immer sehr schnell damit, Urteile zu fällen, Meinungen zu haben, unser Weltbild nach draußen zu transportieren. Wie viel besser wäre es, sich mal in die Schuhe des anderen zu stellen. Harambee bietet übrigens auch das, eintauchen in die Lebenswelt eines anderen Landes, sich auseinandersetzen, lernen.

Wir suchen übrigens weiter Spenden für diesen Spielplatz, in Kunststoff. Damit wir die nächsten Jahre keine Ressourcen verschwenden müssen.

 

 

 

Ich hab gerade Gänsehaut vor Freude und Begeisterung. Denn soeben kam die Nachricht:

Unser Basketball-Team aus der Junior High, zwei unserer Leichtathletikmädchen (Dreisprung und 200m-Lauf), unsere 4 Schwimmer/innen, alle haben erste Plätze belegt und vertreten die gesamte Küste in Machakos auf nationaler Ebene.

Zusätzlich in Performing Arts unsere Tänzergruppe Highschool und zwei Kinder im Bewerb „Spoken Words“ – also Vortrag. Sie fahren schon diesen Samstag zum nationalen Bewerb nach Embu.

Und ich fühle mich wie eine Eislaufmama und könnte heulen.

Unsere Kinder, teilweise Waisen, aus Analphabetenfamilien, bisher nur in einer Lehmhütte zuhause, ziehen in die Welt, begeistern mit ihren Talenten und ihrer Disziplin, denn solche Leistungen schafft man nicht mit herum trödeln.

Im Schwimmen mussten wir jetzt im Regionenbewerb gar nicht antreten, weil es keine Konkurrenz gab. Das muss man sich mal vorstellen, aus der gesamten Küstenregion von Malindi bis hinunter zur Südküste gab es keine Schule, die es bis dahin geschafft hatte. Wir leben am Meer.

Und das macht mich dann bei aller Freude auch wieder traurig, denn es sagt ja nichts über Talente aus. Unsere Kids sind nicht talentierter als viele in anderen Schulen. Der Unterschied ist nur, wir fördern diese Talente.

Und es bestärkt mich darin, alles, was wir jetzt in Sportanlagen investieren – Basketball, Rollball, Skaten – auch anderen Schulen zu eröffnen. Und – alles zu versuchen, noch dieses Jahr ein Schwimmbecken zu bauen. Damit unsere trainieren können, damit aber auch andere Schulen ihren Kindern das bieten können. Den Namen gibt es schon – Vonwald Dolphins;-))

Vielleicht gibt es ja Sportler, die hier mitlesen, die gern bei einer Sportart Pate sein wollen und uns unterstützen.

Und heute Abend gibts Party.

Gabriela Vonwald

 

 

 

Es ist schon ein Wechselbad der Gefühle. Gerade noch fragt man sich, woher man neue Paten zaubern könnte und wie (verdammt noch mal!) dies und das und jenes organisier- und finanzierbar sein soll… und dann suchen plötzlich nur noch 7 Kinder an der Bright Academy nach Paten und es trudeln Mails ein von lieben Menschen, die nach Projekten suchen, die sie auf dem ein oder anderen Weg bekannt machen und unterstützen könnten.

Ja, es gibt sie – Menschen, die mehr tun wollen als „nur“ Geld spenden, die sich ganz persönlich engagieren und ihr Netzwerk für die gute Sache nützen wollen. Vieles ist noch in der Schwebe, ich will noch nicht zu viel verraten, aber besonders freuen wir uns über ganz frische Paten, die nun sozusagen „in Eigenregie“ für den geplanten Brunnen für die Bright Academy Geld sammeln werden.

Immer wieder hören wir – ich hätte gern was Eigenes. Ein eigenes Projekt, etwas, was ich verwalten kann, dafür brenne. Du schwimmst selbst gern – warum nicht unsere Schwimmkids zu deinem Projekt machen. Oder Landwirtschaft, Taekwondo, eine unserer Schulen, College.

Gabi Vonwald hat es unlängst auch im Harambee Podcast gesagt: Harambee bzw. Gapeka (wie wir in Kenia heißen) umfasst ja weit mehr als „nur“ eine Schule. Da gibt es die verschiedenen Partnerschulen, Landwirtschaft als großen Schwerpunkt inkl. allem, was mit dem wichtigen Thema Wasser zusammenhängt, das Rescue Center, die Special Unit, … und schulintern die diversen Sportarten von Schwimmen über Basketball und Leichtathletik bis zu Taekwondo, Theater, Tanz, Gesang, Kunst, IT… Wofür Euer Herz auch schlägt: In all diesen Bereichen und noch mehr gibt es die Möglichkeit, sich einzubringen.

Wir sind offen für Vorschläge, teilen gern unsere Erfahrungen und sind dankbar für alle neuen, kreativen Ideen oder auch schlicht Menschen, die Klinken putzen, über Harambee allgemein oder eben einen selbst gewählten Schwerpunkt sprechen wollen. Alles, worauf man seine Energie lenkt, wächst bekanntlich – das muss ja nicht immer nur Gabi Vonwalds Energie sein (und/oder meine).

Der große Vorteil daran, sich bei uns zu engagieren: Man muss das Rad nicht völlig neu erfinden, sondern kann auf all dem aufbauen, was schon da ist und sehr gut funktioniert. Und kann trotzdem sein eigenes Ding draus machen. Drei der nächsten „Projekte im Projekt“ sind übrigens das Thema Solarenergie, ein Haus für Kinder, die ansonsten kein richtiges Zuhause mehr haben (Temporary Child Care) und – weil es unsere Kosten auf lange Sicht deutlich reduzieren würde – ein Schwimmbecken für die Kilifi Vonwald School.

Vielleicht fühlt sich ja jemand angesprochen? Gern einfach melden! Nur bitte nicht mit: „Man müsste… man könnte… man sollte… “ – Lasst uns ZUSAMMEN etwas bewegen. Helfen ist einfach, man muss es nur TUN!

 

Die letzte Woche war hart. Da möchte man meinen – wir haben heuer schon über 110 Kinder ins Projekt geholt, viele Große konnten im Boarding an der Vonwald Schule starten, 15 Kinder haben wir in der Old Ferry School übernommen, 25 in Tezo in die Bright Academy aufgenommen, die ja gerade neu gebaut wird. An allen Ecken und Enden wird geschafft, gewerkt und getan, es läuft so richtig gut.

Und dann kommen innerhalb weniger Tage gleich 5 absolute Härtefälle dazu. Zuerst ein junges Mädchen, Zainab, Vollwaise und HIV-positiv. Sie lebt bei den Großeltern, die sich bemühen, aber das Mädchen ist schwer unterernährt. Nun sind HIV-Medikamente in Kenia zwar gratis, sie kann aber nicht versorgt werden, wenn sie nicht regelmäßig zu essen bekommt. Das Spital hat das Jugendamt verständigt, die Zuständigen sind auf uns zugekommen – Erste Hilfe: ein Essenspaket. Die langfristige Lösung: Sie kommt an die Vonwald Schule ins Boarding (Internat), wo sie ausreichend zu essen bekommt und wir ihre Medikation kontrollieren können. Danke nochmals an die Patin, die sie zum Glück schnell gefunden hat.

Fast zeitgleich ein Notruf, ein Schwesternpaar aus Tezo braucht dringend Hilfe. Die Mutter ist aus der gewalttätigen Ehe entkommen, schafft es aber kaum, die kleine Familie über Wasser zu halten. Die Kinder mussten die Schule abbrechen, es ist finanziell einfach nicht zu schaffen. Während die Mutter Arbeit sucht, wurde eine der Schwestern vergewaltigt. Sie sagt, der einzige Ort, an dem sie sich sicher fühlt, ist die Schule. In die sie mit ihrer Schwester nun dank ihrer neu gefundenen Patin ganz regelmäßig gehen kann.

Kaum später: zwei Brüder, Moses und Erick, die Eltern gestorben, sie blieben allein zurück. Moses ist HIV-positiv, die Familie hat die Brüder verstoßen, lange Zeit lebten die beiden auf der Straße, auf die Hilfe von Nachbarn und Fremden angewiesen. Oft hieß das: hungrig schlafen gehen. Natürlich sind beide massiv unterernährt. Der größte Wunsch: Schule! Lernen! Erick träumt davon, eines Tages Pilot zu werden. Noch ist dieser Traum weit weg, aber immerhin können die beiden sich nun im Boarding an der Vonwald Schule sattessen und zum ersten Mal im Leben in einem Bett schlafen.

Für Erick brauchen wir noch einen Paten, der ihn mit 60€/Monat unterstützt (oder Teilpaten). Moses sucht ebenfalls noch einen Teilpaten für 30€/Monat. Es sind Schicksale wie diese, die uns nicht müde werden lassen. Es gibt noch so viel zu tun. So viele Leben zu verändern. So viele Leben zu retten.

Danke an alle, die uns dabei unterstützen!

Mag. Sarah Eidler

Ich habe es ja schon oft gesagt – in Kenia verhungert niemand so, wie wir das von so manchen Bildern kennen. Kinder mit extremer Unterernährung, Hungerbäuche, zu schwach, um die Fliegen von den Augen zu blinzeln. Diesen Hunger gibt es nicht.

Nur – mal satt essen, das gibt es für die meisten armen Menschen in Kenia auch nicht.

Wenn ich um Hilfe gebeten werde, mich jemand sprechen will, ich Familienbesuche mache, stelle ich daher fast immer nach ein paar Minuten auch die Frage:

„Wann hast du das letzte Mal gegessen?“

Bei uns in Europa wäre wohl die Antwort je nach Tageszeit – ich habe gefrühstückt, Mittag gegessen, Abendessen, gerade an der Dönerbude oder auch nur einen Snack – Kühlschrank auf, Kekspackung, Schokoriegel oder wenigstens Obst. Und würde jemand mittags sagen – gestern morgens, würden wir höchstens vermuten, okay, Person auf Diät.

In Kenia bin ich oft schon froh, wenn die Antwort gestern ist, sehr oft höre ich aber, vorgestern.

Unsere liebe Sarah hat ja den Begriff geprägt  -Geschichten vom Wegesrand. Drei solcher Geschichten hab ich heute. Alle handeln genau davon, vom Hunger. Ich bin gestern aus Kenia zurück gekommen, da ist alles noch frisch. Und diese  „Fälle“ sind es besonders, denn noch drei Stunden, bevor ich zum Flughafen gefahren bin, hat sich der folgende ereignet.

Ich bekam früh morgens eine Nachricht auf mein Handy – WhatsApp. Eine Elisabeth bat mich um Hilfe, sie sei am Ende und vielleicht sei es besser, auch für ihre kleine Tochter, sie wäre nicht mehr da. Bei mir schrillten alle Alarmglocken, ich konnte sie überreden, in einer Stunde in der Schule, Security am Gate informiert, wenn eine Elisabeth mit Kleinstkind kommt, durchlassen und mich holen.

Und da saß sie vor mir. Die Geschichte, extrem gute Schülerin, Matura mit B-, was in Kenia direkt zur Uni führen kann, allerdings ein Rückstand der Schulgebühren, Schule händigt ihr das Zeugnis nicht aus, ohne keine Uni. Dann auf den falschen Mann herein gefallen, schwanger, aber sie kämpft sich durch, nimmt einen Mini-mini-mini-Kredit auf, kauft Ware, kommt gut ins Geschäft, und gerade, als es so ein wenig bergauf geht, Einbruch, alles gestohlen. Wirklich alles, sogar die Windeln der Kleinen. Und jetzt hat sie einen Rückstand des Kredites, die drohen ihr schon, sie konnte drei Monate die Miete nicht zahlen, soll jetzt auf der Strasse landen, sie weiß einfach nicht weiter. Insgesamt reden wir hier von 60 Euro und natürlich hab ich das übernommen. Und dann meine Frage – wann hast du das letzte Mal gegessen. Vorgestern. Und deine Kleine? Panik im Blick, sie drückt sie fester, sie würde voll stillen. Wer weiß, wieviele Kalorien man benötigt, um Milch zu haben und sein Kind stillen zu können, weiß auch, nur eine Frage der Zeit. Also lege ich noch 30 Euro drauf und sage ihr, kauf Lebensmittel. Und wir werden uns kommende Woche auch um den Rückstand in ihrer alten Schule kümmern, das sind 170,-, damit sie ihr Zeugnis bekommt, und dann schauen wir mal, sie möchte so gern studieren.

Nummer zwei ist die Mama von einem unserer neuen Kinder. Mir wurde zuerst gesagt, sie sei krebskrank, daher würde die Tochter so viel weinen. Ich will die Frau besuchen, das tun, was ich immer tue, ein Foto. Sollte die Mama sterben, bin ich die Bewahrerin der Erinnerungen für ihr Kind. Nur, die Mama hat keine Krebserkrankung – soweit die gute Nachricht. Sie hat offene Unterschenkel-geschwüre, ist extrem unterernährt, massiver Mangel an Nährstoffen. Wir kaufen ein großes Essenspaket, beraten sie – Eiweiß, Obst, Vitamin D aus der Apotheke, Wundpuder. Auch der Arzt, bei dem sie war, hat zur Diagnose geschrieben, unterernährt. Das wars. Festgestellt, nicht zu ändern. Im Juni schaue ich wieder vorbei.

Fall Nummer 3. Im Büro meldet sich eine Mutter mit Teenagertochter, sie bittet, ob wir die Tochter zu uns in die Highschool nehmen könnten, wir wären die letzte Hoffnung. Während unser Mr. Kazungu mit ihr spricht, fängt das Mädel plötzlich heftig zu weinen an und auf die erschrockene Frage, was denn jetzt passiert sei – sie habe so großen Hunger. Nun, natürlich mal in der Küche Essen besorgt und gemeint, wenn ich dann da sei, solle sie wieder kommen. Wir sitzen also wenige Tage später auf meiner Veranda. Schwieriger Fall, das Mädchen wäre eigentlich in Form 2, sehr schlechte Noten, aber ihr Gesicht zeigt mir nur einfach, bitte lass mich lernen, ich kann es besser. Ich frage sie, warum sie solche Noten habe. Antwort, wir essen nur alle drei Tage und ich hab zwei jüngere Geschwister. Und ich kann mich so schlecht konzentrieren dann, weil ich so hungrig bin.

Die Mutter hört die Antwort, schlägt die Hände vors Gesicht, sie schämt sich so.

Wir nehmen Franziska und auch die jüngere Schwester zu uns, der Mutter gebe ich Essensgeld. Und es kommt so ein tiefer Seufzer, wie ich ihn ganz oft höre, wenn die Last abfällt, man plötzlich Hoffnung hat. Für beide Mädchen werde ich jetzt Paten suchen.

Dreimal Hunger, dreimal Schicksale am Wegesrand.

Gabriela Vonwald

 

Unsere Eva, die für die gesamten Einschulungen zuständig ist, die die Datenblätter der Kinder in Kenia erstellt, die Familiengeschichten weiß, unser Link zum Jugendamt, stellt bei einem neuen Kind drei Fragen und zwar in der Reihenfolge:

  1. Wie heißt du?
  2. Wie alt bist du?
  3. Hast du eine Geburtsurkunde?

Beziehungsweise bekommen alle Eltern, die ihre Kinder zu uns bringen wollen, egal woher, egal in welcher Situation, diese Fragen gestellt.

Laut Gesetz dürfen Schulen niemanden mehr aufnehmen, der nicht zeitnah eine Geburtsurkunde bringt. Denn ohne Geburtsurkunde können die Kinder keine Prüfungen ablegen, nicht Schule wechseln, nicht studieren. Sie sitzen dann zwar und lernen, das Lernen wird aber nicht anerkannt. Und wir können auch leider keine Versicherung abschließen.

Nun ist zeitnah in Kenia ein dehnbarer Begriff, im Falle Geburtsurkunde manchmal auch durchaus ausgedehnt auf ein bis drei Jahre. Und da sind wirklich nicht immer die Eltern Schuld. Um solch ein Dokument nämlich zu bekommen, müssen zuerst einige Hürden genommen werden. Man muss zunächst mal wissen, wann ist denn mein Kind überhaupt geboren? Klingt komisch, aber eine analphabetische Mutter wird das bei Kind Nummer 6 oder 8 nicht mehr so genau nehmen, überhaupt dann, wenn man sich eben nicht gleich um eine Eintragung kümmert. Zuerst muss der Mais geerntet werden, dann ist es Zeit für Aussaat, für die Hühner, die Ziegen, den ältesten Sohn, und so vergeht manchmal ein Jahr oder zwei. Und dann weiß man nur noch – muss der oder der Monat gewesen sein in dem Jahr, als der Mais besonders hoch stand. Das Geburtsdatum auf allen Papieren, auch denen, die wir dann bekommen und auch an Paten weitergeben, ist nahezu immer geschätzt. Ich würde danach also nicht unbedingt ein Horoskop erstellen.

Danach muss sich ein männlicher Verwandter auftreiben lassen. Vor allem dann, wenn Vater nicht bekannt, verschwunden oder aus anderen Gründen nicht greifbar.

Die größte Hürde aber ist, irgendwer aus der Kernfamilie, am besten Mama oder Papa oder beide, sollten über eine ID-Card verfügen. Und für diese ID-Card muss der Chief der Region, in der ein Mensch geboren wurde, eine Bestätigung ausstellen.

So – und jetzt haben wir die Situation, viele unserer Familie kommen aus dem Hinterland, sind auf Jobsuche vor Jahren nach Kilifi oder Tezo gezogen, und wissen einfach überhaupt nicht, wie gehe ich es denn jetzt an, dass ich diesen Chief (sowas wie ein Bürgermeister) überhaupt erreiche. Sie können vielleicht nicht schreiben, können nicht telefonieren und würden es sich vielleicht auch gar nicht trauen, wie finde ich dazu die Telefonnummer, also lieber weiter warten und die Zeit verstreichen lassen.

Alle Schulen kämpfen mit dem Problem, nur, wir kämpfen an der Seite der Eltern. Heißt – WIR kontaktieren die Chiefs, lassen nicht locker, haken nach, und wenn das Papier dann da ist, karren wir die Eltern zum Meldeamt, füllen Formulare aus und bleiben dort, damit sie nicht wieder davon laufen. Daher ist unsere Ausbeute auch sehr hoch, in der Vonwald sind es gerade noch 9 Kinder. Tezo macht uns da etwas Sorgen, aber wir sind auf der Zielgerade. Diese Woche hat unser Mr. Mangi da die letzten Kraftakte unternommen, alles auf Schiene, zeitnah bekommen wir also hin.

Vor kurzem hab ich mal wieder einige unserer Kids gefragt, was sie denn später werden wollen, welche Zukunftsbilder, welche Berufe, welches Studium. Und wohlgemerkt, nicht 6jährige, die alle Pilot oder „driver“ werden wollen. Von einem Buben, ungefähr 14 Jahre alt, kam die Antwort – „soldier“, also Soldat.

Warum, welche Verbindung hat dieser junge Mensch denn zu Soldaten? Polizei lasse ich mir noch einreden, die stehen überall herum, aber Soldat? Ich hab also aus Neugierde weiter gefragt, warum gerade Soldat, weißt du denn, was die so machen? Am Ende stellte sich heraus, „die stehen an einem Tor und öffnen die Schranke, damit Autos rein oder rausfahren dürfen“. Also nicht Soldat, sondern Security am Tor.

Mein Antiquitätenhändler in Mombasa hat mir sein Leid geklagt, er findet einfach kein Personal, dass alte Möbel restaurieren könne. Jede Menge Tischler, aber das nicht. Ich rede mit unserem Tischler Simon, der mir einen alten Sekretär restauriert hat, ja, ist nicht Teil des Curriculums. Aber das wäre doch eine Marktlücke, unterrichte das doch, macht doch da was. Er nickt, nicht so ganz überzeugt. Wer will denn alte Möbel, wenn es chinesisches Plastik gibt? Aber ich werde dran bleiben.

Ich habe mich noch bis vor Kurzem darüber gewundert, warum auch unsere Maturanten nur so einen eingeschränkten Berufswunsch haben – Lehrer, Krankenschwester, eventuell noch IT oder was mit Wirtschaft, das wars oft schon. Okay, für Medizin und Recht braucht man so überdurchschnittliche Noten, das verstehe ich ja noch. Medien kommt ganz oft oder Journalismus. Aber zum Beispiel nie mal Architektur.

Letztes Mal hab ich gefragt, was macht eigentlich ein Architekt oder eine Architektin. Die Antwort, sie bauen ein Haus, aber nicht so ein Lehmhaus, sondern eins mit Steinen. Aber eben, rechteckig, höchstens mal andere Säulen davor oder größer oder andere Farbe oder ein Stockwerk drauf. Was sie halt kennen und sehen.

Diesmal habe ich ein Buch meiner Lieblingsarchitektin Zara Hadid im Gepäck und eine Doku über diese tolle Frau, die leider 2016 gestorben ist. Und werde dabei von unserem Mr. Collins unterstützt, der glücklicherweise erkennt, ist auch Kunst und was für eine. Und ja, dafür braucht man auch Mathe, aber wenn man eben weiß, wofür man es braucht, vielleicht macht es dann ja auch mehr Spaß.

Mr. Collins hat jetzt lange in Nairobi gearbeitet, genauso wie unser Obmann Prof. Katana. Der sogar in Deutschland studiert hat. Und denen muss ich nicht viel erklären, die greifen sofort jede Idee auf. Aber bei den Kindern und jungen Menschen merke ich – es fehlen die Vorbilder. Klar kann man nur wählen, wenn man das schon mal gehört hat, wenn man wen kennt, der diesen Beruf auch ausübt. Selbst die Menschen, die wir einladen, der Klasse doch mal was zu erzählen, haben nicht so spannende Berufe. Irgendwie immer gleich.

Und jetzt kommt heute eine Whatsapp Nachricht von einem meiner persönlichen Studenten. Der studiert Kriminalistik in Nairobi und schreibt mir, dieses Semester steht Jugendkriminalität auf dem Stundenplan, auch Prävention und ganz viel mehr. Und ich bin elektrisiert und bespreche mit ihm, in den nächsten Ferien, die sich ja nicht mit den Schulferien decken, bitte komm in die Schule und erzähle von deinem Studium. Ich sammele Berufe. Und die Personalchefin einer großen Firma wird in Kürze mal ein Seminar halten, worauf kommt es bei einer Bewerbung an, wie „verkaufe“ ich mich besser. Denn immer wieder werden Jobs nur an Bewerber von „up-country“ vergeben, aus den großen Städten. Warum? Weil sie sich eben besser anbieten können, einen größeren Blickwinkel haben, einen weiteren Horizont, schon während der Schule mehr Angebote und Möglichkeiten.

Und während ich noch darüber nachdenke, wie wir die Scheuklappen unserer Kinder beseitigen können und ihnen zeigen, welche Möglichkeiten ihnen offen stehen, tappe ich selbst in solch eine Falle und werde mit meinen eigenen Vorurteilen konfrontiert. Dreimal sogar.

Nummer 1 – Spielplatz. Wir haben ja viel gebaut, jetzt muss alles auch wieder schön gemacht werden. Unsere alten Metallspielgeräte sind verrostet, Holz muss ständig neu gestrichen und repariert werden, es muss doch auch so Fertigelemente geben, Vollplastik und haltbar. Ich googel herum, schicke Fotos, überlege schon, wie ich sowas von Österreich nach Kenia bekomme und erhalte von Mr. Mangi einen Katalog einer Firma in Nairobi. Genau das, gar nicht teuer, wird nächste Woche bestellt.

Nummer 2 – mein Francis war in den Weihnachtsferien in Nairobi in der Kunsthochschule, er hat dort ein Seminar belegt, Klavier und Komposition. Ich bin ganz begeistert, ein echtes Klavier, nicht nur keyboard. Das wäre irgendwann so toll. Ich schwärme per Whatsapp vor mich hin und bekomme wenig später aus einem riesengroßen Klavierhaus aus Nairobi Angebote. Richtig gute Stücke, teilweise aus alter Wiener Manufaktur. Inklusive Lieferung gerade mal 2.000 Euro. Das wird es, wenn die Halle steht.

Nummer 3 – während meines Gesprächs über Architektur mit Mr. Collins sind wir uns einig, die Kinder sollten schon früh bauen lernen.  Ich hatte mal Matador geschickt und Duplo und alles mögliche. Nur, hier kaufen und schicken, da machen wir nur Post und Zoll reich, das haben wir abgestellt. Und während ich noch laut lamentiere, schaltet sich Mr. Mangi, unser Schulleiter der Primary, ein und meint, da gibt es Shops extra für Schulen, Überraschung, in Nairobi, da kann man das alles kaufen, am Ende wohl wesentlich günstiger als wenn man es von Europa schicken würde. Und ja, da setzen wir uns im Februar zusammen.

Warum ich das erzähle? Weil wir gern sehen, wie andere in Stereotypen denken und sich als Beruf nur Lehrerin vorstellen können, wenn wir selbst in die Falle tappen, sind wir aber gern blind. Warum genau glaube ich auch nach 17 Jahren noch immer, dass es irgendwas in Kenia nicht gibt? Es gibt alles, man muss es sich leisten können.

Und mich wundert natürlich nicht, warum die uns aus Nairobi soweit voraus sind, wenn es dort alles gibt. Aber das werden wir ändern, versprochen.

 

Das Mädchen auf dem Foto heißt Rukia und sie hätte ohne uns nicht die geringste Chance gehabt auf ein selbstbestimmtes Leben. Denn Rukia war, als ich sie traf, 9 Jahre alt und hatte nie eine Schule besucht. Eine Klasse Vorschule, dann war das Geld aus. Der weitere Lebensweg solch eines Mädchens wäre – frühe Heirat, damit wenigstens ein bisschen Geld rein kommt (der Brautpreis) und eine Esserin weniger, viele Kinder, ein Leben in einer Lehmhütte irgendwo.

Ich traf Rukia – oder sollte ich besser sagen sie traf mich – in der Kirche. Viele wissen ja, ich habe mit meinem privaten Geld (also keine Spenden) eine Kirche für die Gemeinde gebaut, weil es mir ein Bedürfnis war und weil ich der Meinung bin, eine Gemeinschaft braucht auch ein soziales Zentrum, was eine Kirche eigentlich sein sollte und bei uns auch eben inzwischen ist. Diese Kirche besuche ich gelegentlich, wenn ich vor Ort bin. Und Rukia saß mit ihrer blinden großen Schwester in der ersten Reihe. Und sie fixierte mich nonstop, fast ohne Blinzeln. Kennt ihr das, wenn man nach einer Weile merkt, da schaut mich jemand intensiv an? Man muss zurück schauen. Unsere Blicke trafen sich, wie immer passierte irgendwas Magisches, jedenfalls rief ich sie zu mir.
Sie wollte lernen, zur Schule gehen, war hungrig nach mehr als nur zuhause herum sitzen.
Also Besprechung mit unserem Team. Bekommen wir das hin? Wir können sie nicht im Kindergarten beginnen lassen, vom Alter her würde sie sogar in die 3. Klasse gehören, aber falls wir es hinbekommen, sie in einem Jahr von Null auf zweite Klasse zu bringen, dann würden wir und sie es schaffen.
Also setzten wir sie in die erste Klasse und sie bekam täglich Nachhilfe von Madam Edith. Und Rukia lernte schnell, sie wusste, ihre Chance.

In den Weihnachtsferien, schon früh im Dezember, tyrannisierte sie ihre Mama, bitte ruf Madam Edith an, ich will mit ihr sprechen. Und Edith erzählte mir gestern im Chat, ja, erste Frage der Kleinen: „Teacher, wann darf ich wieder in die Schule?“ – Antwort Edith, „nach den Weihnachtsferien, also nächstes Jahr“ – „Wann ist das, dauert das noch lange, ich halte es nicht mehr aus, ich will wieder lernen.“
Wundert es irgendwen, dass sie jetzt in Klasse 2 sitzt? Dieses Mädel wird sich nciht mehr vom Weg abbringen lassen. Es zeigt aber auch die Einstellung unserer Lehrer und Lehrerinnen – denn Edith hat das unbezahlt in ihrer Freizeit gemacht.
Ich freue mich jedenfalls sehr, wenn ich die Kleine schon bald sehe.

Gabriela Vonwald

Für Millionen Kinder aller Schulstufen beginnt morgen in Kenia das neue Schuljahr, viele davon starten mit der ersten Klasse Vorschule, genannt PP1 – wie aufregend für die 4jährigen Zwerge. Andere beginnen mit Grade 1, bei uns wäre das die Volksschule, wieder andere wechseln nach Klasse 8 aus dem alten System in die 4jährige Highschool, für alle Eltern eine besondere Herausforderung.

Und egal welche Schule, welche Klasse, welche Region – für die Eltern kommen erhebliche Kosten auf sie zu. Zwar ist offiziell die Grundschule, also im alten System bis Klasse 8, kostenlos, aber schon dieses alte System kannte offen gezeigte und unter der Hand vorhandene Schlupflöcher. Offen notwendig sind einmal Schuluniform (verpflichtend), ordentliche Schuhe und Bücher. Bücher werden in Kenia nicht von der Schule gestellt, sondern müssen von den Eltern gekauft werden – außer bei uns. Bei einem Volksschulkind, das jetzt in Grade 1 beginnt, sind allein das alles schon Kosten von rund 50 Euro. Bei einem Verdienst von ungefähr 30 bis 50 Euro für einfache Tagelöhner heißt das – ein Monatseinkommen.

Dabei bleibt es aber leider nicht, denn jetzt kommt das, was ich immer den Tag der offenen Hand nenne. Zwar keine Schulgebühren, aber Schulen und Lehrer sind erfinderisch in Zusatzkosten. Fast alle verlangen eine so genannte „tuition fee“ – frei übersetzt im Grunde eine Nachhilfegebühr, auch wenn es gar keine Nachhilfe gibt oder braucht. Ich sage immer, das sind Gebühren dafür, dass der Lehrer auch tatsächlich unterrichtet. Und wer die nicht zahlt, dessen Kind wird ein Jahr lang ignoriert und dann heim geschickt. Oder dazwischen heim geschickt. Ich habe aber auch schon Kinder gesehen, die – angesprochen darauf, warum sie nicht in der Schule sind, geantwortet haben, „weil wir keinen Beitrag für die Security am Gate gebracht haben, kein Extrageld für die Strom- oder Wasserrechnung“.

Daher weiß heute jeder und jede – Schulen verlangen Gebühren. Nicht viel, da ich gerade anlässlich meines Geburtstages 20 Kindern in der Gegend Rabai den Start geschenkt habe, weiß ich, was öffentliche Schulen so im Hinterland (Rabai ist ungefähr eine Stunde von Kilifi entfernt) verlangen. Wobei in 3 Trimestern gezahlt wird, das erste ist immer das teuerste, dann wird es weniger, das dritte ist praktisch dann kaum noch etwas. Es geht offenbar nach dem Prinzip – was wir haben, das haben wir mal eingesammelt. Außer die kleinsten, da ist jedes Trimester gleich. Also – öffentliche Schulen in Rabai kosten für die Kleinen, also die PP-Klassen pro Trimester umgerechnet Euro 10,- (also gerade mal 2,50 pro Monat, denn man dividiert durch 4), ab Grade 1 dann im ersten Trimester rund 18,- (also pro Monat 4,50).

Und gerade etwas weiter weg von Kilifi, einem Schmelztiegel mit überfüllten Klassen, sind diese öffentlichen Schulen gut. Vor allem, man hat in öffentlichen Schulen immer wirklich ausgebildete Lehrer und nicht nur Mütter mit einem gefakten Zeugnis.

Der Nachteil vieler dieser Schulen, sie bieten keinen Mittagstisch und oft nur für die Kleinen  eine Porridge-Mahlzeit. Dafür werden dann nochmals rund 3 Euro pro Monat eingehoben. Aber – verglichen mit einer eventuell nicht registrierten Privatschule, die ebenfalls einiges an Gebühren einhebt, wie wir gerade wieder feststellen mussten, sind die öffentlichen Schulen deutlich besser als ihr Ruf.

Was sie nicht bieten – oder ich muss besser sagen, bisher nicht geboten haben  – viele der Extras, die Freiheit des Lernens, soll heißen, auch mal zu experimentieren, Dinge auszuprobieren, besseres und mehr Lernmaterial, kleinere Klassen. Warum Vergangenheit? Weil das neue Curriculum den Schulen eine Menge vorschreibt, darüber hatte ich ja schon mal geschrieben, von Ausflügen über Sportveranstaltungen und ganz neue Fächer. Aber – das müssen dann wieder die Eltern zahlen, sonst darf das Kind nicht dabei sein. Derzeit schätzt man, dass rund 1,2 Millionen Kinder in Kenia im Grundschulalter daher überhaupt nie zur Schule gehen.

Neben unserer Vonwald-Schule, sozusagen dem Zentrum, und der neu adoptierten Schule in Tezo sponsern wir ja viele Kinder auch in anderen Schulen. Private, öffentliche, unsere Partnerschulen und auch Secondary-Schulen mit Internat, eine bunte Mischung. Was bei uns anders ist bei diesen Kindern – wir sorgen immer dafür, dass alle zumindest einmal am Tag Essen bekommen und alle sind versichert. Und alle haben Bücher, die in diesem Fall nicht ihnen gehören, sondern die sie am Ende des Schuljahres zu uns bringen, alle gut erhaltenen werden an ein jüngeres Kind weiter gegeben. Und wenn Paten so lieb sind, gibt es auch Schuluniformen und Schuhe von uns.

In unseren beiden Schulen sind alle vorbereitet, Lehrer waren in den Ferien teilweise auf Fortbildung, es gab diese Woche schon Meetings und Planungen, der Stundenpaln steht und alles wurde repariert und schön gemacht. Es kann also losgehen.

Wünschen wir jetzt mal all unseren Kindern, die nach den langen Ferien schon ganz hibbelig sind, einen guten Start ins neue Schuljahr und allen Lehrern viel Liebe und starke Nerven.

Gabriela Vonwald