Vor kurzem hab ich mal wieder einige unserer Kids gefragt, was sie denn später werden wollen, welche Zukunftsbilder, welche Berufe, welches Studium. Und wohlgemerkt, nicht 6jährige, die alle Pilot oder „driver“ werden wollen. Von einem Buben, ungefähr 14 Jahre alt, kam die Antwort – „soldier“, also Soldat.

Warum, welche Verbindung hat dieser junge Mensch denn zu Soldaten? Polizei lasse ich mir noch einreden, die stehen überall herum, aber Soldat? Ich hab also aus Neugierde weiter gefragt, warum gerade Soldat, weißt du denn, was die so machen? Am Ende stellte sich heraus, „die stehen an einem Tor und öffnen die Schranke, damit Autos rein oder rausfahren dürfen“. Also nicht Soldat, sondern Security am Tor.

Mein Antiquitätenhändler in Mombasa hat mir sein Leid geklagt, er findet einfach kein Personal, dass alte Möbel restaurieren könne. Jede Menge Tischler, aber das nicht. Ich rede mit unserem Tischler Simon, der mir einen alten Sekretär restauriert hat, ja, ist nicht Teil des Curriculums. Aber das wäre doch eine Marktlücke, unterrichte das doch, macht doch da was. Er nickt, nicht so ganz überzeugt. Wer will denn alte Möbel, wenn es chinesisches Plastik gibt? Aber ich werde dran bleiben.

Ich habe mich noch bis vor Kurzem darüber gewundert, warum auch unsere Maturanten nur so einen eingeschränkten Berufswunsch haben – Lehrer, Krankenschwester, eventuell noch IT oder was mit Wirtschaft, das wars oft schon. Okay, für Medizin und Recht braucht man so überdurchschnittliche Noten, das verstehe ich ja noch. Medien kommt ganz oft oder Journalismus. Aber zum Beispiel nie mal Architektur.

Letztes Mal hab ich gefragt, was macht eigentlich ein Architekt oder eine Architektin. Die Antwort, sie bauen ein Haus, aber nicht so ein Lehmhaus, sondern eins mit Steinen. Aber eben, rechteckig, höchstens mal andere Säulen davor oder größer oder andere Farbe oder ein Stockwerk drauf. Was sie halt kennen und sehen.

Diesmal habe ich ein Buch meiner Lieblingsarchitektin Zara Hadid im Gepäck und eine Doku über diese tolle Frau, die leider 2016 gestorben ist. Und werde dabei von unserem Mr. Collins unterstützt, der glücklicherweise erkennt, ist auch Kunst und was für eine. Und ja, dafür braucht man auch Mathe, aber wenn man eben weiß, wofür man es braucht, vielleicht macht es dann ja auch mehr Spaß.

Mr. Collins hat jetzt lange in Nairobi gearbeitet, genauso wie unser Obmann Prof. Katana. Der sogar in Deutschland studiert hat. Und denen muss ich nicht viel erklären, die greifen sofort jede Idee auf. Aber bei den Kindern und jungen Menschen merke ich – es fehlen die Vorbilder. Klar kann man nur wählen, wenn man das schon mal gehört hat, wenn man wen kennt, der diesen Beruf auch ausübt. Selbst die Menschen, die wir einladen, der Klasse doch mal was zu erzählen, haben nicht so spannende Berufe. Irgendwie immer gleich.

Und jetzt kommt heute eine Whatsapp Nachricht von einem meiner persönlichen Studenten. Der studiert Kriminalistik in Nairobi und schreibt mir, dieses Semester steht Jugendkriminalität auf dem Stundenplan, auch Prävention und ganz viel mehr. Und ich bin elektrisiert und bespreche mit ihm, in den nächsten Ferien, die sich ja nicht mit den Schulferien decken, bitte komm in die Schule und erzähle von deinem Studium. Ich sammele Berufe. Und die Personalchefin einer großen Firma wird in Kürze mal ein Seminar halten, worauf kommt es bei einer Bewerbung an, wie „verkaufe“ ich mich besser. Denn immer wieder werden Jobs nur an Bewerber von „up-country“ vergeben, aus den großen Städten. Warum? Weil sie sich eben besser anbieten können, einen größeren Blickwinkel haben, einen weiteren Horizont, schon während der Schule mehr Angebote und Möglichkeiten.

Und während ich noch darüber nachdenke, wie wir die Scheuklappen unserer Kinder beseitigen können und ihnen zeigen, welche Möglichkeiten ihnen offen stehen, tappe ich selbst in solch eine Falle und werde mit meinen eigenen Vorurteilen konfrontiert. Dreimal sogar.

Nummer 1 – Spielplatz. Wir haben ja viel gebaut, jetzt muss alles auch wieder schön gemacht werden. Unsere alten Metallspielgeräte sind verrostet, Holz muss ständig neu gestrichen und repariert werden, es muss doch auch so Fertigelemente geben, Vollplastik und haltbar. Ich googel herum, schicke Fotos, überlege schon, wie ich sowas von Österreich nach Kenia bekomme und erhalte von Mr. Mangi einen Katalog einer Firma in Nairobi. Genau das, gar nicht teuer, wird nächste Woche bestellt.

Nummer 2 – mein Francis war in den Weihnachtsferien in Nairobi in der Kunsthochschule, er hat dort ein Seminar belegt, Klavier und Komposition. Ich bin ganz begeistert, ein echtes Klavier, nicht nur keyboard. Das wäre irgendwann so toll. Ich schwärme per Whatsapp vor mich hin und bekomme wenig später aus einem riesengroßen Klavierhaus aus Nairobi Angebote. Richtig gute Stücke, teilweise aus alter Wiener Manufaktur. Inklusive Lieferung gerade mal 2.000 Euro. Das wird es, wenn die Halle steht.

Nummer 3 – während meines Gesprächs über Architektur mit Mr. Collins sind wir uns einig, die Kinder sollten schon früh bauen lernen.  Ich hatte mal Matador geschickt und Duplo und alles mögliche. Nur, hier kaufen und schicken, da machen wir nur Post und Zoll reich, das haben wir abgestellt. Und während ich noch laut lamentiere, schaltet sich Mr. Mangi, unser Schulleiter der Primary, ein und meint, da gibt es Shops extra für Schulen, Überraschung, in Nairobi, da kann man das alles kaufen, am Ende wohl wesentlich günstiger als wenn man es von Europa schicken würde. Und ja, da setzen wir uns im Februar zusammen.

Warum ich das erzähle? Weil wir gern sehen, wie andere in Stereotypen denken und sich als Beruf nur Lehrerin vorstellen können, wenn wir selbst in die Falle tappen, sind wir aber gern blind. Warum genau glaube ich auch nach 17 Jahren noch immer, dass es irgendwas in Kenia nicht gibt? Es gibt alles, man muss es sich leisten können.

Und mich wundert natürlich nicht, warum die uns aus Nairobi soweit voraus sind, wenn es dort alles gibt. Aber das werden wir ändern, versprochen.

 

Das Mädchen auf dem Foto heißt Rukia und sie hätte ohne uns nicht die geringste Chance gehabt auf ein selbstbestimmtes Leben. Denn Rukia war, als ich sie traf, 9 Jahre alt und hatte nie eine Schule besucht. Eine Klasse Vorschule, dann war das Geld aus. Der weitere Lebensweg solch eines Mädchens wäre – frühe Heirat, damit wenigstens ein bisschen Geld rein kommt (der Brautpreis) und eine Esserin weniger, viele Kinder, ein Leben in einer Lehmhütte irgendwo.

Ich traf Rukia – oder sollte ich besser sagen sie traf mich – in der Kirche. Viele wissen ja, ich habe mit meinem privaten Geld (also keine Spenden) eine Kirche für die Gemeinde gebaut, weil es mir ein Bedürfnis war und weil ich der Meinung bin, eine Gemeinschaft braucht auch ein soziales Zentrum, was eine Kirche eigentlich sein sollte und bei uns auch eben inzwischen ist. Diese Kirche besuche ich gelegentlich, wenn ich vor Ort bin. Und Rukia saß mit ihrer blinden großen Schwester in der ersten Reihe. Und sie fixierte mich nonstop, fast ohne Blinzeln. Kennt ihr das, wenn man nach einer Weile merkt, da schaut mich jemand intensiv an? Man muss zurück schauen. Unsere Blicke trafen sich, wie immer passierte irgendwas Magisches, jedenfalls rief ich sie zu mir.
Sie wollte lernen, zur Schule gehen, war hungrig nach mehr als nur zuhause herum sitzen.
Also Besprechung mit unserem Team. Bekommen wir das hin? Wir können sie nicht im Kindergarten beginnen lassen, vom Alter her würde sie sogar in die 3. Klasse gehören, aber falls wir es hinbekommen, sie in einem Jahr von Null auf zweite Klasse zu bringen, dann würden wir und sie es schaffen.
Also setzten wir sie in die erste Klasse und sie bekam täglich Nachhilfe von Madam Edith. Und Rukia lernte schnell, sie wusste, ihre Chance.

In den Weihnachtsferien, schon früh im Dezember, tyrannisierte sie ihre Mama, bitte ruf Madam Edith an, ich will mit ihr sprechen. Und Edith erzählte mir gestern im Chat, ja, erste Frage der Kleinen: „Teacher, wann darf ich wieder in die Schule?“ – Antwort Edith, „nach den Weihnachtsferien, also nächstes Jahr“ – „Wann ist das, dauert das noch lange, ich halte es nicht mehr aus, ich will wieder lernen.“
Wundert es irgendwen, dass sie jetzt in Klasse 2 sitzt? Dieses Mädel wird sich nciht mehr vom Weg abbringen lassen. Es zeigt aber auch die Einstellung unserer Lehrer und Lehrerinnen – denn Edith hat das unbezahlt in ihrer Freizeit gemacht.
Ich freue mich jedenfalls sehr, wenn ich die Kleine schon bald sehe.

Gabriela Vonwald

Für Millionen Kinder aller Schulstufen beginnt morgen in Kenia das neue Schuljahr, viele davon starten mit der ersten Klasse Vorschule, genannt PP1 – wie aufregend für die 4jährigen Zwerge. Andere beginnen mit Grade 1, bei uns wäre das die Volksschule, wieder andere wechseln nach Klasse 8 aus dem alten System in die 4jährige Highschool, für alle Eltern eine besondere Herausforderung.

Und egal welche Schule, welche Klasse, welche Region – für die Eltern kommen erhebliche Kosten auf sie zu. Zwar ist offiziell die Grundschule, also im alten System bis Klasse 8, kostenlos, aber schon dieses alte System kannte offen gezeigte und unter der Hand vorhandene Schlupflöcher. Offen notwendig sind einmal Schuluniform (verpflichtend), ordentliche Schuhe und Bücher. Bücher werden in Kenia nicht von der Schule gestellt, sondern müssen von den Eltern gekauft werden – außer bei uns. Bei einem Volksschulkind, das jetzt in Grade 1 beginnt, sind allein das alles schon Kosten von rund 50 Euro. Bei einem Verdienst von ungefähr 30 bis 50 Euro für einfache Tagelöhner heißt das – ein Monatseinkommen.

Dabei bleibt es aber leider nicht, denn jetzt kommt das, was ich immer den Tag der offenen Hand nenne. Zwar keine Schulgebühren, aber Schulen und Lehrer sind erfinderisch in Zusatzkosten. Fast alle verlangen eine so genannte „tuition fee“ – frei übersetzt im Grunde eine Nachhilfegebühr, auch wenn es gar keine Nachhilfe gibt oder braucht. Ich sage immer, das sind Gebühren dafür, dass der Lehrer auch tatsächlich unterrichtet. Und wer die nicht zahlt, dessen Kind wird ein Jahr lang ignoriert und dann heim geschickt. Oder dazwischen heim geschickt. Ich habe aber auch schon Kinder gesehen, die – angesprochen darauf, warum sie nicht in der Schule sind, geantwortet haben, „weil wir keinen Beitrag für die Security am Gate gebracht haben, kein Extrageld für die Strom- oder Wasserrechnung“.

Daher weiß heute jeder und jede – Schulen verlangen Gebühren. Nicht viel, da ich gerade anlässlich meines Geburtstages 20 Kindern in der Gegend Rabai den Start geschenkt habe, weiß ich, was öffentliche Schulen so im Hinterland (Rabai ist ungefähr eine Stunde von Kilifi entfernt) verlangen. Wobei in 3 Trimestern gezahlt wird, das erste ist immer das teuerste, dann wird es weniger, das dritte ist praktisch dann kaum noch etwas. Es geht offenbar nach dem Prinzip – was wir haben, das haben wir mal eingesammelt. Außer die kleinsten, da ist jedes Trimester gleich. Also – öffentliche Schulen in Rabai kosten für die Kleinen, also die PP-Klassen pro Trimester umgerechnet Euro 10,- (also gerade mal 2,50 pro Monat, denn man dividiert durch 4), ab Grade 1 dann im ersten Trimester rund 18,- (also pro Monat 4,50).

Und gerade etwas weiter weg von Kilifi, einem Schmelztiegel mit überfüllten Klassen, sind diese öffentlichen Schulen gut. Vor allem, man hat in öffentlichen Schulen immer wirklich ausgebildete Lehrer und nicht nur Mütter mit einem gefakten Zeugnis.

Der Nachteil vieler dieser Schulen, sie bieten keinen Mittagstisch und oft nur für die Kleinen  eine Porridge-Mahlzeit. Dafür werden dann nochmals rund 3 Euro pro Monat eingehoben. Aber – verglichen mit einer eventuell nicht registrierten Privatschule, die ebenfalls einiges an Gebühren einhebt, wie wir gerade wieder feststellen mussten, sind die öffentlichen Schulen deutlich besser als ihr Ruf.

Was sie nicht bieten – oder ich muss besser sagen, bisher nicht geboten haben  – viele der Extras, die Freiheit des Lernens, soll heißen, auch mal zu experimentieren, Dinge auszuprobieren, besseres und mehr Lernmaterial, kleinere Klassen. Warum Vergangenheit? Weil das neue Curriculum den Schulen eine Menge vorschreibt, darüber hatte ich ja schon mal geschrieben, von Ausflügen über Sportveranstaltungen und ganz neue Fächer. Aber – das müssen dann wieder die Eltern zahlen, sonst darf das Kind nicht dabei sein. Derzeit schätzt man, dass rund 1,2 Millionen Kinder in Kenia im Grundschulalter daher überhaupt nie zur Schule gehen.

Neben unserer Vonwald-Schule, sozusagen dem Zentrum, und der neu adoptierten Schule in Tezo sponsern wir ja viele Kinder auch in anderen Schulen. Private, öffentliche, unsere Partnerschulen und auch Secondary-Schulen mit Internat, eine bunte Mischung. Was bei uns anders ist bei diesen Kindern – wir sorgen immer dafür, dass alle zumindest einmal am Tag Essen bekommen und alle sind versichert. Und alle haben Bücher, die in diesem Fall nicht ihnen gehören, sondern die sie am Ende des Schuljahres zu uns bringen, alle gut erhaltenen werden an ein jüngeres Kind weiter gegeben. Und wenn Paten so lieb sind, gibt es auch Schuluniformen und Schuhe von uns.

In unseren beiden Schulen sind alle vorbereitet, Lehrer waren in den Ferien teilweise auf Fortbildung, es gab diese Woche schon Meetings und Planungen, der Stundenpaln steht und alles wurde repariert und schön gemacht. Es kann also losgehen.

Wünschen wir jetzt mal all unseren Kindern, die nach den langen Ferien schon ganz hibbelig sind, einen guten Start ins neue Schuljahr und allen Lehrern viel Liebe und starke Nerven.

Gabriela Vonwald

 

 

 

 

 

So schnell waren wir noch nie. Und wenn ich wir sage, ist das von meiner Seite ein Schmücken mit fremden Federn, denn das Lob gebührt ganz allein unserer Sarah, die von sich sagt, sie sei kein Zahlenmensch, die aber das Wunder vollbracht hat, am 1. des neuen Jahres abends mit dem Finanzbericht fertig zu sein. 13.477 Buchungen. Den Rechenschaftsbericht, also ausformuliert das, was wir alles 2023 mit dem Geld in Kenia bewirken konnten, den gab es ja schon einen Tag vorher. Und – es war das beste Jahr, das Harambee je hatte, mit knapp einer Million Euro an Spendenaufkommen und nur 0,5% Verwaltungskosten.

Nun, ich bin auch nicht so der Zahlenmensch, aber aus einem anderen Grund. Mich interessiert nicht nur, dass alles „ordnungsgemäß“ verbucht wurde, dass auch alles nach Kenia ging, mich interessiert, wie sinnvoll wurde es dort eingesetzt. Ganz flapsig ausgedrückt, wenn ich morgen die Miete nicht zahlen kann, gehe ich heute nicht ins Tatoo-Studio. Also ich zumindest nicht. Oder auf Kenia übertragen – auch wenn ich sehr zukunftsorientiert bin und weiß wo ich in einem Jahr, in drei Jahren, in fünf Jahren stehen will, geht es doch darum, die Balance zu halten zwischen Hilfe heute und Blick in die Zukunft. Genauer gesagt, Grundstücke kaufen, Gebäude errichten, natürlich, aber doch erst, wenn ich die Basics abgedeckt habe – qualitativer Unterricht für alle Kinder im Projekt, Frühstück, vielleicht sogar ein Mittagessen, Krankenversicherung, vor allem aber – Schulbücher und Unterrichtsmaterial. Am Beispiel unserer neuen Schule – ja, wir bauen auf einem neuen Grundstück und haben schon gerodet, Zaun drum herum, Eingangstor, Wasser, Wasserspeicher, Toiletten, das erste Gebäude startet demnächst. Aber ich hätte das niemals begonnen, wenn ich nicht vorher und parallel dazu alle 125 Kinder, die derzeit in einem nicht so guten Umfeld lernen, Möbel, Schuluniformen, Schuhe, Sportdressen und vor allem Bücher für alle verschafft hätte. Plus ein Porridge Frühstück, Bananen, Eier, was immer. Plus Krankenversicherung. Plus – Kinder sollten in einem Bett schlafen. Und während El Nino, des Hochwassers, sind Decken, warme Kleidung, eine neue Hütte für eine Familie, die alles verloren hat, das Gebot der Stunde, da muss auch der neue Basketballplatz kurz mal warten.

Dieser Spagat zwischen Gegenwart und Zukunft ist nicht immer einfach, aber ich bin jetzt fast 40 Jahre selbständige Unternehmerin, da gehört dies zum täglichen Geschäft.

Auch wichtig hinter den Geldern, die nach Kenia gehen – wie sorgfältig wird da damit umgegangen. Wer bügelt Fehler aus? Die letzte Frage kann ich schnell beantworten – ich. Die erste Frage, nämlich wie sorgfältig wird mit dem Geld umgegangen, erfordert viel Kommunikation, auch einiges an Kontrolle und genauso viel Wissen über Preise, Verhältnisse, Strukturen. Beginnt schon oft damit, welcher Umrechnungskurs wird mir da angeboten. Seit ich mich selbst Tag genau direkt in der Bank erkundige, bleibt uns wesentlich mehr übrig. Immer wieder das Abwägen von Qualität und Preis und auch – welcher Preis wurde mir genannt und bekomme ich dann auch die gezahlte Qualität. Ein sehr beliebter Hütchenspielertrick in Kenia. Haben die Kinder wirklich die Schuhe um 1.200 KHS bekommen, die mir verrechnet wurden, oder die billigen um 400, die nach einer Woche kaputt sind? Und irgendwann merken dann auch alle – betrügen geht nicht, die kommt uns auf die Schliche. Notfalls frage ich meine Freundin, die nicht weiß, worum es geht, „du, sag mal, was kosten gerade gute Schuhe für die Schule, was kosten 2 Kilo Mais oder wie ist gerade der Benzinpreis?“

Und daher – dieser Finanzbericht ist nicht nur großartig, ich kann versichern, das gesamte Geld wurde auch auf der anderen Seite des Äquators so verwendet, als hätten alle vor Ort jeden Euro selbst verdienen und aus ihrer Tasche nehmen müssen.

Danke an alle für dieses großartige Jahr.

 

Gabriela Vonwald

 

 

Genauso wie Krankheit ist eine körperliche oder geistige Einschränkung in jedem Land der Welt eine Herausforderung. Nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die gesamte Familie. Ich weiß hier definitiv, wovon ich rede, ist doch mein Mann seit fast 8 Jahren querschnittsgelähmt. Und nicht laufen zu können ist dabei das kleinste Problem.

In einem Dritte-Welt-Land wie Kenia kommen aber noch weitere Schwierigkeiten dazu. Gibt es bei den Folgen eines Unfalls – vom Auto erfasst oder bei der Kokosnussernte von der Palme gefallen (auch heute noch die häufigste Ursache für eine Lähmung) – wenigstens noch ein Grundverständnis, so ist eine angeborene Störung, von Downsyndrom bis Mikrozephalitis gleichzeitig sehr oft noch immer ein Stigma (an dem meistens der Mutter die Schuld gegeben wird). Auch Hexenzauber und der böse Blick wird häufig als Erklärung herangezogen und solche Kinder bringen Unglück über die ganze Familie. Bestenfalls werden sie geduldet, manchmal aber auch bis in die heutige Zeit hinein umgebracht oder ausgesetzt, was praktisch das Gleiche ist. Aber eine Förderung, medizinische Versorgung, Schule – Fehlanzeige.

Dabei gäbe es diese Hilfe durchaus. Man findet in Kenia sogar viele Schulen speziell für Kinder mit Behinderung, die größte an der Küste ist in Mombasa „Sahajanand“ mit mehr als 1000 Kindern. Auch wir haben dort eins unserer Mädchen, die jetzt bald schon maturiert. Und es gibt einige kleinere, alle immer Internat, mit hervorragender Betreuung, medizinischer Versorgung, Physiotherapie und spezieller Nahrung, falls notwendig. Und eigentlich kosten die sogar im Vergleich mit anderen Privatschulen erstaunlich wenig, weil sie eben gefördert werden.

Auch in Kenia gibt es einen Behindertenausweis, der einem viel Unterstützung ermöglicht. Ihn zu bekommen ist vergleichsweise einfach, in unserer Region wird er im Kilifi Hospital in der orthopädischen Abteilung ausgestellt, nach einer Untersuchung und kostenlos. Nur, für Menschen aus dem Hinterland, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, auf Hilfe aus der Familie, keinen Rollstuhl besitzen, könnte es genauso gut auf einem anderen Planeten sein. Daher haben wir knapp vor Weihnachten noch das Ganze umgedreht, insgesamt 9 Ärzte engagiert und zu drei Gemeinden gebracht und dort über 300 behinderte Menschen untersuchen und registrieren lassen.

Bei Erwachsenen findet man neben Unfallfolgen noch immer viele, die als Kind unter Polio (Kinderlähmung) gelitten haben. Die Krankheit gilt erst seit 2014 in Kenia offiziell als besiegt, zum Vergleich, in Österreich 1980, in Deutschland 1992, in ganz Europa 2002. Downsyndrom findet man seltener, aber was mir persönlich relativ häufig auffällt, Kleinwuchs in Verbindung mit Mikrozephalie. Das Zika-Virus ist in Kenia nach wie vor aktiv, vielleicht eine Erklärung. Hier kenne ich einige Kinder in unmittelbarer Nachbarschaft, wo wir auch immer zu helfen versuchen.

Und was ebenfalls hilft – ein Rollstuhl. So viele Menschen besitzen keinen, werden von der Familie morgens aus der Hütte getragen, in den Schatten gesetzt und abends wieder herein geholt. Oder ziehen sich wenige Meter mit den Armen auf dem Boden vorwärts. Wie entwürdigend. Und wieviel Freiheit und Selbstbestimmung bringt da bereits ein Rollstuhl.

Gabriela Vonwald

Wenn man mir vor drei Monaten gesagt hätte, dass ich nochmals eine Schule registrieren lasse, hätte ich gesagt – nie im Leben. Nicht, dass ich nicht total glücklich bin mit unserer Vonwald-Schule – „a place to be“, wie die Kids sie nennen. Aber damals ging diese ganze Registrierung bei mir so am Rande vorbei, meine Sorgen waren, wie bekomme ich das Geld zusammen, um überhaupt eine zu bauen. Andere, allen voran mein lieber Freund Richard Karani, haben sich gekümmert und – es war wesentlich einfacher.  Altes Schulsystem, irgendwie wird man den Kids schon was beibringen. Gibt es eine Toilette – okay.

Ich sage es ja oft, müsste ich heute nochmals starten und hätte das gesamte Wissen und Erfahrung der letzten 17 Jahre – es würde keine Schule mehr. Wie gut, dass wir schon eine haben;-))

Heute haben wir das neue Schulsystem mit all den Anforderungen an Platz, Kapazität, vor allem aber auch – heute wird verlangt, dass wir klar sagen – wer ist Schulerhalter und wie finanziert sich das laufende Budget.

Das Gute diesmal, es gibt uns schon. Soll heißen, als registrierte NGO mit bereits einer registrierten Schule und dem gesamten Verwaltungssystem dahinter, da haben wir die größte aller Hürden schon genommen. Aber immer noch kauft man ein wenig die Katze im Sack. Zwar wurde das Grundstück mal abgenommen und für gut befunden, die echte Registrierung kann aber erst beginnen, wenn wir da etwas stehen haben. Also wenigstens ein Gebäude mit Klassenräumen in richtiger Größe und Ausstattung, eine Toilette und Wasser. Wasser ist da, Toilette ist im Bau und bereits komplett finanziert, erstes Gebäude – hier warten wir auf eine Foundation, die uns große Hoffnung gemacht hat, die aber erst Anfang Jänner tatsächlich Ja sagen kann und auch sagen kann – ein oder gleich zwei Gebäude.

Jetzt bin ich ja Meisterin im Visualisieren, bald ist Weihnachten und Geburtstag hab ich auch – ich sage, das klappt.

Und ich hoffe, ihr alle drückt mit für uns die Daumen, mein Ziel ist weiterhin – die Schule steht bis Ende April!

 

Gabriela Vonwald

Die Wochen vor Weihnachten sind einerseits geprägt von „Black Week“, „Super-Sonder-Weihnachtsspecials“ und „absoluten Tiefstpreisen“. Und andererseits blicken einen doch überall diese niedlichen Kinderaugen an, die gerade jetzt unbedingt Hilfe brauchen. Möglichst werbewirksam werden jetzt Schuluniformen, Schuhe oder Ziegen an den Mann oder die Frau gebracht – dafür gibt’s auch eine Urkunde, zum Behalten oder Verschenken, im trendigen Weihnachtsdesign mit Rentierschlitten, Christbaum, Wichtel und Co.

Manchmal wird mir das zu viel. Und ich denke, ich bin mit diesem Gefühl nicht allein. Wer helfen will, der tut es das ganze Jahr über. Wer einem Kind den Schulbesuch ermöglichen möchte, der muss dazu nicht auf Weihnachten warten. Ja, Werbung ist wichtig, aber noch wichtiger ist – Was steckt dahinter? Kommt die Hilfe auch wirklich an? Und zwar nicht einfach irgendwo, sondern dort, wo ich als Spender sie gerne haben möchte? Auch dann, wenn die Spende ein sinnvolles Geschenk für einen lieben Menschen sein soll, der sich dies wünscht oder „eh schon alles hat“.

Natürlich sammeln auch wir Spendengelder und ja, viele Menschen sind in der Vorweihnachtszeit eher geneigt, „etwas Gutes zu tun“. Umso größer ist unsere Verantwortung als Hilfsorganisation, dieses Vertrauen nicht zu missbrauchen. Denn auch Katastrophen warten nicht auf besondere Feiertage.

Gerade aktuell haben wir es geschafft, das Geld für 11 Hütten für Familien zu sammeln, die durch El Niño alles verloren haben, die kein Dach mehr über den Kopf haben und derzeit in unserer Notunterkunft in einer Kirche schlafen. Unsere Paten und Spender wissen genau, welche Familien diese Hütten bekommen, kennen die Hintergründe und Familiengeschichten. Es ist nicht einfach „irgendeine“ Familie, es sind Kinder, Eltern, Großeltern, deren ganz persönliche Schicksale uns berühren.

Eine unserer Ehrenamtlichen hat es kürzlich so treffend ausgedrückt: Es ist die Zeit der Herbergssuche und wir bauen Hütten. Ja, das ist doch sehr symbolträchtig, und auch Thema unseres heurigen Adventkalenders. (https://tuerchen.app/aGgL9KR12bBftZHt?fbclid=IwAR23d_LfcHR3viJfZGK4QxqAk-d6NbZW578Jh0rUNHmaPAFX-B0-kMgnt2Q).

Aber es wäre egal, zu welcher Zeit im Jahr. Wenn diese Unwetter nun im Mai passiert wären, dann sähe unsere Hilfe nicht anders aus. Denn wer schnell hilft, hilft doppelt.

Und wer das möchte, bekommt von uns natürlich ganzjährig eine Spendenurkunde, sogar mit Gütesiegel und steuerlich absetzbar. Wer also nicht „nur“ aus Herzensgüte spenden möchte, sondern auch aus steuerlichen Gründen, hat für 2023 noch dreieinhalb Wochen Zeit. Für alle österreichischen Spender trage ich dann Anfang des Jahres die Spendensumme direkt in Finanzonline ein, für Firmen und ausländische Sponsoren stellen wir gern Spendenquittungen aus. Eine gute Möglichkeit, selbst darüber zu bestimmen, was mit dem eigenen mühsam erarbeiteten (Steuer-)geld passiert…

Lasst uns die letzten Wochen des Jahres damit verbringen, möglichst vielen Familien eine Herberge zu bieten, eine Hütte zu bauen, ein Zuhause zu schaffen.

 

Mag. Sarah Eidler

Krank sein ist nirgends fein, aber in einem Dritte-Welt-Land ist es zusätzlich auch eine immense finanzielle Belastung. Eltern wissen, wie oft Kinder krank sind, meistens glücklicherweise harmlos, aber dennoch. Arztbesuch, Medikamente, irgendwas gegen Husten, Schnupfen, Durchfall oder Fieber. Kinder toben und brechen sich mal was. Und in Kenia ist nur versichert, wer auch eine richtige Anstellung hat und eben über den Arbeitgeber versichert ist. Da sind dann 2 (in Worten zwei) Kinder inkludiert.

Und alle anderen? Die können entscheiden – Essen, Miete, Wasser für die ganze Familie, oder ein Fieberzäpfchen für eins der Kinder. Schon ein simples Röntgen stürzt die ganze Familie in absoluten Notstand und daher sieht man sehr oft, dass Gliedmaßen nach einem Bruch nicht gut zusammen gewachsen sind.

Es ist aber nicht so, dass Kenia nichts unternommen hätte.

Kenia hat 1966 schon einen staatlichen Versicherungs-Verband gegründet, genannt NHIF = National Health Insurance Fund. 1998 wurde das sogar in der Verfassung verankert. Zunächst ging es darum, jeder, der das 18. Lebensjahr vollendet hatte, konnte sich hier freiwillig kranken versichern, auch wenn er keinen Lohnarbeit hatte oder der Arbeitgeber das nicht ordnungsgemäß erledigt hat. Das gibt es bis heute. Angeschlossen daran entstand auch etwas, das sich Linda Mama nennt. Wenn Frauen nicht krankenversichert sind und schwanger werden, können sie mit Unterstützung der Regierung eine kurzfristige Versicherung abschließen, die alle Vorsorgeuntersuchungen abdeckt plus die Geburt in einem Spital und dann automatisch wieder erlischt. Dies gibt es seit 2022 und ist eine der positiven Dinge, die sich nach Corona durch intensive Diskussionen ergeben haben.

Aber wo bleiben jetzt all die Kinder?

Wir haben in unserem Projekt ungefähr 1000 Kinder und wir können heute sagen – die meisten – derzeit knapp 800 – sind extra über unsere NGO  krankenversichert. Warum nur „die meisten“ und nicht alle? Alle Kinder unserer Angestellten sind automatisch bei den Eltern mitversichert. Und – diese Versicherung hängt an einer Geburtsurkunde. Und bis wir da immer alle beisammen haben, das dauert und ist mühsame Aufklärungsarbeit. Aber auch unsere Studenten sind versichert. Jedes Kind hat, so wie bei uns auch, eine Versicherungskarte, die es vorzeigt.

Wie funktioniert solch eine Versicherung, denn das werde ich sogar oft von anderen Organisationen und Vereinen gefragt.

Es funktioniert, indem NGOs oder größere Charity-Organisationen bei der NHIF einen Gruppentarif anmelden. Ab wievielen Kinder das möglich ist, müsste man erfragen, das ändert sich oft und ist auch Verhandlungsgeschick, man kann sich vorstellen, dass wir da schon lang drüber sind. Dieser Gruppentarif heißt, man meldet immer drei Kinder an und zahlt dadurch pro Kind nur unglaubliche 1 Euro pro Monat, ungefähr je nach Umrechnungskurs. Als wir begonnen haben, waren es noch 4 Euro pro Kind, weil wir alle einzeln angemeldet haben. Man lernt. Und daher ist das jetzt selbstverständlich in unseren Patenbeiträgen enthalten.

Und diese Versicherung deckt viel ab, man braucht aber optimaler weise einen Partner dazu, der direkt mit der Versicherung abrechnet, sonst wird es mühsam. Wir haben als Partner das Khairat-Spital in Kilifi, dort gehen alle unsere Kinder bei Bedarf hin, werden untersucht, bekommen Medikamente und alles, was sie brauchen. Und auch eine stationäre Aufnahme ist inkludiert, was manchmal sogar die bessere Variante ist. sobald ein Kind eine Nacht „drin bleibt“ zahlt die Versicherung deutlich mehr an Untersuchungen, und glücklicherweise kommt uns dieses Spital da sehr entgegen.

Manche Dinge sind nicht abgedeckt, wie neue Brille zum Beispiel, und wenn wir alle unsere Kleinsten einmal im Jahr nach den großen Ferien entwurmen lassen und ihnen Vitamin A geben, dann zahlen wir die Produkte, nicht aber die Gemeindeschwester, die dann zu uns in die Schule kommt.

Leider sind auch die Medikamente für chronisch kranke Kinder nicht inkludiert. Ein Kind mit Asthma oder Diabetes braucht also auch weiterhin Extrahilfe. Allerdings gibt es ernsthafte Diskussionen, hier endlich so etwas einzurichten wie für werdende Mütter, dass man also für sein chronisch krankes Kind eine eigene Versicherung abschließen kann. Was wir selbstverständlich sofort machen werden, wenn es das am Markt gibt.

Für eine chronische Krankheit gibt es das seit ganz kurzer Zeit – Sichelzellenanämie, denn die ist ja in Kenia endemisch. Und wir sind schon dabei, unsere betroffenen Kinder zu registrieren,.

Was übrigens schon jetzt gänzlich gratis ist, jede Behandlung und Medikamente, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder, in Bezug auf HIV.

Aber auch wenn es nicht alles deckt, diese Versicherung ist solch ein Segen, dass ich jeder Organisation und jedem Verein rate, schließt sowas ab.

Gabriela Vonwald

 

Heute war der letzte Prüfungstag unserer Maturanten und die drei Wochen Prüfung für 2023 damit beendet. Ja, drei Wochen dauert die Matura in Kenia, Montag bis Donnerstag, 8 bis 17 Uhr, Freitag 8 bis 13 Uhr. Da kommen die Kids schon dran. Und es ist nicht einfach nur Englisch, nein, englische Komposition (also Aufsatz), englische Literatur, Grammatik usw. Und Chemie in Theorie und Praxis, Kiswahili, Biologie oder Physik, Geschichte, Geographie, Religion, je nach Wahl Business oder Agriculture, also wenn man heute in die Gesichter schaut – müde, sehr müde.

Aber, sie haben es geschafft, sie sind jetzt „reif“, erwachsen oder doch so ähnlich. Wir haben sie nach einem feinen MIttagessen in die Ferien und in die Freiheit entlassen und was sagen sie? „We will miss the land of joy“ – wissend, der Ernst des Lebens beginnt jetzt da draußen.

Wie geht es weiter?

Jetzt sind erst einmal Weihnachtsferien.

Die Prüfungsergebnisse werden mit Ende Januar erwartet, dann kommen alle zusammen im Februar und die Studienberatung fängt an. Was wollt ihr studieren, wo liegen eure Leidenschaften, und was ist realistisch, was lässt sich mit der Gesamtnote bzw. mit den Noten in den einzelnen Fächern auch tatsächlich studieren?

Die Uni – wir schicken ja nur noch und konsequent zur Nachbar-Uni, der Pwani, beginnt dann im September, eine lange Zeit für die Kids und hier ist es besonders wichtig, da zu sein, sie im Auge zu behalten, ihnen Alternativen gegen das Herumlungern zu bieten.

Zunächst einmal gibt es Anleitung – ID-Card beantragen, ein Bankkonto eröffnen, all das wirst du an der Uni brauchen. Und dann bieten wir ein bezahltes Praktikum bei uns – auf der Modellfarm helfen, in den Klassen helfen, Nachhilfe geben, in der Küche Gemüse schnippeln usw. Einerseits bei uns in der Schule, andererseits in unseren Partnerschulen oder in Unternehmen, mit denen wir eng zusammen arbeiten. Die jungen Menschen lernen dabei Arbeiten, Disziplin, abends körperlich müde sein, nicht nur geistig, vor allem aber – sie verdienen sich ein Taschengeld. Und wir leiten sie an – spare davon einen Teil, du wirst zum Studium ein gutes Smartphone brauchen. Wir legen was drauf, aber ein Teil kommt von dir.

Und so wird die Vonwald Schule immer eine Anlaufstelle sein, immer das Zuhause, das die meisten der Kinder nicht wirklich hatten und haben. Und das wissen sie. Und ich bin ganz sicher, die ersten stehen Anfang Januar schon beim Tor.

Gabriela Vonwald

Immer wenn wir Eltern fragen, warum sie Hilfe benötigen, warum und wie sie es denn bisher geschafft haben und warum es jetzt nicht mehr geht, wird sofort das neue Schulgesetz genannt, die neuen Bildungspläne. Bisher ging es irgendwie, öffentliche Schulen waren leistbar, immer mal wieder musste man einem Lehrer was direkt zahlen, aber man hat es geschafft.  Aber jetzt? Mit mehreren Kindern? Und wir reden nicht nur von Highschool, es fängt schon in den unteren Volksschulklassen an.

Was heißt denn neue Schulordnung, neue Lernpläne? Und was daran ist so teuer?

Ich hab es ja oft erzählt und geschrieben, Kenia hat in einer Kraftanstrengung vor einigen Jahren das gesamte alte Schulsystem über den Haufen geworfen und durch ein neues ersetzt. Mit einem Satz könnte man flapsig sagen – weg vom britischen, hin zum amerikanischen. Im alten System ging es um – alle lernen das Gleiche und werden in den gleichen Fächern gleich bewertet. Und wenn jemand irgendwo besonders begabt ist, aber schlecht in einem anderen Fach, Pech. Und niemand hat sich auch die Mühe gemacht, überhaupt mal heraus zu finden, wo denn die Begabung liegen könnte, denn dazu muss man auch viele Dinge anbieten, Türen öffnen, Tisch decken, damit Kinder sich ausprobieren können.

Nun, das ist jetzt geschehen, wir schreiten 2024 bereits ins 8. Jahr, also Klasse 8 formiert sich im neuen System. Und bei uns in der Vonwald-Schule kämpfen wir natürlich auch, alle neuen Anforderungen zu erfüllen, der Unterschied ist nur – wir haben viele Jahre vorher bereits ganz viel davon freiwillig angeboten, was heute verpflichtend ist. Und – wir müssen dazu nicht Eltern zur Kasse bitten, die an sich schon nichts haben. Denn was wir zunehmend sehen ist, dass auch Kinder aus Elternhäusern mit zwei arbeitenden Eltern sich Schule nicht mehr leisten können.

Was sind zum Beispiel solche neuen Kosten?

Früher hat eine Schule gelegentlich einen Ausflug gemacht, staatliche nie, private manchmal. Freiwillig. Heute sind Ausflüge für alle Klassen jedes Jahr verpflichtend. Schon ab Kindergarten sind Ausflüge verpflichtend. Und müssen dokumentiert werden.

Früher gab es in der Schule Fußball. Aus. Heute wird von Schulen verlangt, mindestens zwei bis drei Sportarten „vernünftig“ anzubieten, also entsprechendes Equipment und ausgebildete Trainer.

Schwimmen, hatte früher niemand am Schirm (außer uns, aber eben freiwillig), jetzt ist es verpflichtend. Na wer wird wohl die Poolmiete und den Trainer bezahlen? Die Schule aus dem Budget? Sicher nicht.

Es sollen Musik und Kunst angeboten werden, vielfältig. Also mindestens ein Instrument, verschiedene Mal-Techniken, Handarbeiten, Haushaltsführung.

Und auch – fast alle Lehrer brauchen Nachschulungen. Allein für das Problem, wie finde ich denn heraus, ob jemand Talent hat? Einfach nur eine Mama, die lesen und schreiben kann, in den Kindergartenklassen praktisch mal den Anfang machen lassen, das geht zurecht nicht mehr. Gerade auf die frühkindliche Erziehung wird inzwischen unglaublich viel Wert gelegt.

Ich finde das persönlich alles toll und wichtig, aber ich bin der Meinung, das sollte sich dann auch der Staat leisten. Tut er aber nicht, er rührt kein Ohrwaschel. Und so sieht es dann so aus, als gäbe es Talente nur in der Oberschicht. Unter den Armen keine Sportler, keine Musiker, keine Künstler.

Dabei hat einer unserer Studenten, David, Vollwaise, manche kennen ihn schon aus meinem Podcast, gerade von allen Universitäten Kenias bei einem Bewerb Platz 1 als bester Schauspieler gewonnen und Platz 2 als bester Musical Darsteller. Weil wir es fördern und immer gefördert haben.

Gerade erfahre ich, eine der staatlichen Schulen in unserer Nachbarschaft verlangt jetzt pro Trimester in der Junior High umgerechnet 45 Euro. Das ist für so manchen Tagelöhner ein Monatseinkommen. Das Ganze 3mal im Jahr, dazu Bücher, Materialien, eben alle die Extras, die ich oben erwähnt hab, Schuluniform usw.

Wir könnten uns jetzt zurück lehnen und sagen, tja, schaffen wir auch nicht mehr, warten wir mal, was sich der Staat in den nächsten 10 Jahren so einfallen lässt. Aber wollen wir das? Sind wir dafür angetreten, etwas zu verbessern? Und die Kinder, die heute Hilfe brauchen, sind in 10 Jahren, bis sich der Staat meldet, bereits zornige junge Menschen, die nach Europa wollen.

Armut hat sich auch in Kenia verschoben. Danke an dieser Stelle an alle, die es möglich machen, dass wir bei uns tatsächlich nach Talenten suchen können.

Gabriela Vonwald